Bisswunden
gewesen wären. Oder verständnisvoll, was das angeht. Ich erinnere mich hauptsächlich daran, dass Sie ein arroganter Klugscheißer waren.«
Ein Lächeln legt sich auf sein Gesicht. »Sie sind immer noch alkoholabhängig, nicht wahr? Aber Sie sind keine gewöhnliche, öffentliche Trinkerin. Sie trinken heimlich.« Auf seinem Gesicht steht das traurige Mitgefühl eines Menschen, für den das Leben keine Geheimnisse hat. »Ja, das sind Sie. Nach außen hin eine Aufsehen erregende Karriere, privat ein Wrack.«
Am liebsten würde ich das Mikrofon aus dem Sender an meinem Oberschenkel reißen. John Kaiser und das Abhörteam des fbi sind die Einzigen, die das hier im Augenblick hören, aber Gott allein weiß, wie viele Leute später der Aufzeichnung auf den Bändern lauschen werden.
»Ich habe vorhin die emdr-Therapie erwähnt«, sagt Malik. »Haben Sie schon mal davon gehört?«
Ich schüttele den Kopf.
»emdr steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Es ist eine relativ neue Therapie, die bei Patienten mit posttraumatischen Störungen Wunder gewirkt hat. Sie erlaubt es dem Betreffenden, sein Trauma erneut zu durchleben, ohne so sehr von Schmerz überwältigt zu werden, dass er die Information nicht mehr handhaben kann. Diese Therapie könnte bei Ihnen von großem Nutzen sein.«
Ich bin nicht sicher, ob ich richtig verstanden habe. »Bitte?«
»Sie haben in Ihrem Leben offensichtlich ein schlimmes Trauma erlitten, Catherine. Sie zeigten schon damals in Jackson eindeutige Anzeichen von ptss. Ganz ähnlich den Vietnam-Veteranen, mit denen ich damals gearbeitet habe. Das ist ein weiterer Grund, weshalb Sie mir aufgefallen sind.«
Ich will Malik nicht spüren lassen, wie nah er der Wahrheit gekommen ist, doch er hat mich auch neugierig gemacht. »Und was für eine Art von Trauma habe ich Ihrer Ansicht nach erlitten?«
»Den Mord an Ihrem Vater zum Beispiel. Darüber hinaus habe ich keine Idee. Doch allein schon das Zusammenleben mit ihm in den Jahren vor seinem Tod könnte schlimmen Stress bewirkt haben.«
Ich spüre Angst in mir aufsteigen, als wären plötzlich meine geheimsten Gedanken für diesen Mann sichtbar geworden, der da vor mir sitzt. »Was wissen Sie über meinen Vater?«
»Ich weiß, dass er in Vietnam verwundet wurde und unter einem schwerem posttraumatischen Stresssyndrom gelitten hat.«
»Woher wissen Sie das? Hat Chris Omartian es Ihnen erzählt?«
Ein weiteres Lächeln voll unendlichen Mitgefühls. »Spielt das denn eine Rolle?«
»Für mich schon.«
Malik lehnt sich seufzend zurück. »Nun … vielleicht können wir ein andermal mehr in die Details gehen.«
»Warum nicht jetzt?«
»Wir sind nicht gerade allein.«
»Ich habe nichts zu verbergen«, sage ich mit einer Tapferkeit, die ich nicht empfinde.
»Wir alle verbergen irgendetwas, Catherine. Manchmal vor uns selbst.«
Seine Stimme fühlt sich an wie ein steifer Finger, der das schwammige Gewebe meines Gehirns abtastet. »Hören Sie«,sage ich. »Wenn wir je darüber sprechen wollen, ist jetzt die einzige Gelegenheit dazu.«
»Tut mir Leid, das zu hören. Ich dachte, Sie würden vielleicht in Betracht ziehen, als Patientin zu mir zu kommen.«
Meine Kopfhaut juckt schon wieder. »Machen Sie sich über mich lustig?«
»Ich meine es vollkommen ernst.«
Ich schlage die Beine übereinander und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. »Das ist ein Scherz, nicht wahr? Ich weiß nicht einmal, was ich hier mache. Ich weiß nur, dass Sie hinter mir her waren, als ich ein dummes junges Ding gewesen bin, das eine Affäre mit einem fünfundzwanzig Jahre älteren Mann hatte.«
»Er war nicht nur fünfundzwanzig Jahre älter, sondern auch verheiratet«, bemerkt Malik.
»Und verheiratet. Na und?«
»Darüber sind Sie heute hinweg, nicht wahr? Über Affären mit verheirateten Männern?«
Ich will nicht lügen, aber Sean steckt bereits genügend in Schwierigkeiten. »Ja. Darüber bin ich hinweg.«
»Eine kleine Verfehlung aus Ihrer Studentenzeit, weiter nichts. Sie sind völlig darüber hinweg?«
»Gehen Sie zur Hölle! Was soll das?«
»Eine offene Unterhaltung, Catherine. Vertraulichkeiten auszutauschen ist die Grundlage gegenseitigen Vertrauens.«
»Austauschen? Sie haben mir nichts erzählt, überhaupt nichts.«
Malik grinst mich breit an. »Was würden Sie denn gerne hören? Wir können uns Geschichten erzählen. Ich erzähle Ihnen meine, und Sie erzählen mir Ihre.«
»Tun Sie das immer mit Ihren Patienten?
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