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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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alles ausgelöst? Ihr Gespräch mit Ihrer Schwester?«
    »Nein. Sie hatte in der Zwischenzeit eine Tochter bekommen, und das Mädchen war gerade drei Jahre alt geworden – wahrscheinlich das Alter, in dem mein Vater anfing, Sarah zu missbrauchen. Ein sehr verbreiteter Auslöser für das Wiederauftauchen verschütteter Erinnerungen bei jungen erwachsenen Frauen.«
    »Was haben Sie getan?«
    »Ich habe versucht, Sonderurlaub aus familiären Gründen zu bekommen, um in die Staaten zurückzukehren. Die Armee genehmigte ihn nicht. Ich schrieb Sarah jeden Tag Briefe und versuchte sie aufzumuntern, wies sie auf all das hin, wofür es sich zu leben lohnte. Manches davon muss hohl geklungen haben, weil auch ich meine suizidalen Momente hatte. Ich rannte unter Beschuss zu verwundeten Männern, obwohl ich fast sicher war, mir eine Kugel einzufangen. Ich rannte durchMörserbeschuss und Maschinengewehrfeuer. Ich bekam einen Orden für meine Todessehnsucht, einen Bronze Star. Wie dem auch sei … meine Briefe waren nicht genug. Sarahs Rückblenden, ihre ›Halluzinationen‹, wurden immer schlimmer, und endlich begriff sie, dass sie Dinge sah, die ihr tatsächlich widerfahren waren. Das konnte sie nicht ertragen. Sie hat sich erhängt, als ihr Mann und ihre Tochter im Zoo waren.«
    Malik hat den Blick von mir genommen. Seine Augen sind in die Ferne gerichtet, und der Schleier darüber verrät mir, dass sein Bewusstsein weit, weit weg ist. Ich unternehme nicht einmal den Versuch, meinem Mitgefühl Ausdruck zu verleihen.
    »Ich möchte wissen, was ich hier tue«, sage ich leise.
    Ein beinahe unmerkliches Lächeln umspielt seine Lippen, und endlich richten seine Blicke sich wieder auf mich. »Das möchte ich ebenfalls wissen, Catherine.«
    Es ist Zeit, jede Ähnlichkeit mit einer Scharade zu beenden. »Ich bin hier, weil ich denke, dass Sie fünf Menschen ermordet haben.«
    Maliks Augen flackern über dem lächelnden Mund. »Glauben Sie das wirklich?«
    »Wenn Sie diese Männer nicht ermordet haben, wissen Sie zumindest, wer es war. Und Sie schützen die Täter.«
    » Die Täter?«
    »Die oder den, was auch immer. Sie verstehen genau, was ich sagen will.«
    »Oh, Catherine. Von Ihnen hätte ich wirklich viel mehr erwartet.«
    Seine Herablassung ist mehr, als ich ertragen kann. »Ich glaube, dass unsere Mordopfer allesamt männliche Verwandte Ihrer Patienten sind – Verwandte, die Ihre Patienten sexuell missbraucht haben –, und dass Sie sich als eine Art Kreuzritter gegen etwas Böses sehen, das Sie nur zu gut kennen.«
    Der Psychiater beobachtet mich schweigend. »Was würden Sie von mir denken, wenn das stimmt? Pädophilie hat diehöchste Rückfallquote aller Verbrechen. Diese Leute hören niemals auf, Catherine. Sie suchen sich lediglich neue Opfer. Sie können nicht rehabilitiert werden.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass es gerechtfertigt wäre, sie zu ermorden?«
    »Ich sage lediglich, dass nur der Tod oder Altersschwäche sie aufhalten können.«
    Ich bete, dass der Sender das alles zu Kaiser und den anderen überträgt.
    »Sind Sie ein guter Schütze, Doktor?«
    »Ich treffe, worauf ich ziele.«
    »Praktizieren Sie Kampfkünste?«
    Er blickt zu dem Samuraischwert an der Wand. »Ich könnte Ihnen damit den Kopf abschlagen, bevor das Sondereinsatzkommando draußen im Gang den Raum betreten kann, falls Sie das meinen.«
    Mich durchläuft ein Schauer. Ich werfe einen Blick auf die geschlossene Tür hinter mir und bete, dass dahinter ein swat-Beamter wartet. Ich habe den Satz vergessen, der sie herbeiruft. Irgendetwas mit Fußball …
    Fast springe ich vom Sofa auf, als Malik sich unvermittelt erhebt, doch er verschränkt lediglich die Arme vor der Brust und betrachtet mich mitleidig. »Bevor Sie gehen, vergessen Sie nicht, dass wir gerade erst die Oberfläche dieses Themas angekratzt haben. Wir haben bisher nicht ein Wort über die Schuldigen verloren.«
    »Die Schuldigen?«
    Er nickt. »Wie kann mitten unter uns ein ständiger Holocaust stattfinden, ohne dass wir alle uns erheben, um ihn zu beenden?«
    »Nun …«
    »Denken Sie darüber nach, Catherine. Ich habe jetzt andere Termine. Sie können mir Ihre Gedanken bei unserer nächsten Sitzung mitteilen.«
    »Es wird keine nächste Sitzung geben!«
    Malik lächelt. »Aber selbstverständlich. In den nächsten Tagen wird sehr viel auf Sie einstürmen. So funktioniert es nun mal.« Er greift hinter sich und nimmt etwas von einem Beistelltisch. Dann beugt er sich über den

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