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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Fürchten Sie sich nicht vor gerichtlichen Klagen?«
    »Anwälte sind Parasiten. Ich fürchte mich nicht vorihnen. Mein Geschäft ist die Wahrheit, Catherine. Ich reise in das Land der Toten und kehre mit Erinnerungen zurück, welche selbst die Mächtigsten unter den Menschen in Angst versetzen. Sie haben nicht den Mumm, mich zu verklagen. Sie wissen, dass es sie selbst zerstören wird, sollten sie es trotzdem tun. Zerstört vom Blick in den Spiegel, auf ihre eigene Verderbtheit.«
    »Was ist mit Ihren Patienten?«
    »Ich wurde noch nie von einem Patienten verklagt.«
    »Haben Sie noch nie einen Fehler gemacht? Ich meine, selbst wenn die zeitlich verzögerte Erinnerung ein tatsächliches Phänomen ist, so gibt es doch eine ganze Serie dokumentierter Fälle, in denen bewiesen wurde, dass die Erinnerungen falsch sind. Widerrufe durch Patienten. Richtig?«
    Der Psychiater winkt ab. »Ich werde mich nicht mit Ihnen auf diese Kontroverse einlassen. Widerrufe sind ein Problem für unerfahrene Therapeuten, die fehlgeleitet oder schlecht ausgebildet sind oder keinen Mumm in den Knochen haben.«
    Ich begreife, warum Harold Shubb mich gewarnt hat, dass das fbi seinen Fall besser absolut wasserdicht macht, will es gegen Malik vorgehen. Dieser Mann kennt keine Furcht, und er stellt seine eigene Urteilskraft niemals infrage. Doch vielleicht ist das seine schwache Stelle. »Ich bin nun seit einer geraumen Weile hier, und Sie haben mir noch keine einzige Frage wegen der Morde gestellt.«
    Malik sieht mich überrascht an. »Hatten Sie damit gerechnet?«
    »Ich dachte, es würde Sie zumindest aus der Perspektive des Psychiaters interessieren.«
    »Sexuell motivierter Mord ist in der Regel vorhersehbar. Ich vermute, der Versuch, die Täter zu identifizieren und zu überführen, bietet ein gewisses Maß an Spannung – den Kitzel der Jagd –, doch ich interessiere mich nicht für diese Dinge.«
    Maliks subtile Andeutungen und unterschwellige Beleidigungen erinnern mich an meinen Großvater an einemschlechten Tag. »Sie betrachten Sexualmord nicht als eine extreme Form sexuellen Missbrauchs?«
    Er zuckt die Schultern. »Es ist nicht mehr als das Ausziehen des anderen Schuhs, wenn Sie verstehen. Das ausgestreute Gift fällt auf seinen Urheber zurück. Bei fast allen Serienmorden spielt sexueller Missbrauch in der Kindheit die entscheidende Rolle. Und Sexualmörder haben häufig die systematischste und gewalttätigste Form sexuellen Missbrauchs erdulden müssen. Die Wut, die sie in sich tragen, ist unaussprechlich. Sie richten diese Gewalt auf die Welt und geben sie dorthin zurück, woher sie gekommen ist. Das ist so unausweichlich wie der tägliche Sonnenuntergang.«
    Plötzlich fällt mir wieder ein, dass Kaiser und die anderen unser Gespräch über mein »verstecktes« Mikrofon belauschen. Ich habe die einzigartige Möglichkeit, ihren wichtigsten Verdächtigen auf die Probe zu stellen, und diese Gelegenheit möchte ich nicht vertun. Ich schließe die Augen, während ich versuche, auf meinen Instinkt zu lauschen, doch die Stimme, die ertönt, ist nicht meine eigene.
    »Leiden Sie unter Albträumen, Catherine? Wiederkehrenden Albträumen?«
    Bevor ich heucheln oder es abstreiten kann, sehe ich die Blaulichter der Streifenwagen und meinen toten Vater im Regen, die Augen leer und in den Himmel gerichtet. Gesichtslose Gestalten tollen am Rand der Szene umher – die dunklen Wesen, die in zahllosen Träumen versucht haben, in mein Haus einzubrechen. Dann verschwindet das Bild, und ich sehe mich zusammen mit meinem Großvater in unserem alten, runden, nach Moder und selbst gedrehten Zigaretten riechenden Pick-up durch eine grasbewachsene Landschaft fahren. Wir schinden uns einen Hügel hinauf in Richtung See, der auf der anderen Seite liegt. Mein Großvater lächelt, doch die Angst in meiner Brust ist wie ein wildes Tier, das sich mit Klauen einen Weg aus meinem Körper zu bahnen versucht. Ich will nicht sehen, was auf der anderen Seite des Hügels wartet. DiesenTraum hatte ich das erste Mal vor zwei Wochen, und immer wenn er zurückkehrt, kommt der Pick-up ein kleines Stück weiter den Hügel hinauf …
    »Warum fragen Sie danach?«
    Malik beobachtet mich mit einem Ausdruck von Mitgefühl. »Ich spüre in manchen Menschen Bedürfnisse und Nöte. Ich spüre Schmerz. Es ist eine empatische Begabung, die ich schon immer hatte. Genau genommen mehr eine Bürde als eine Begabung.«
    »Ich erinnere mich nicht, dass Sie besonders mitfühlend

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