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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Horrorgeschichten austauschen?«
    »Ich tue, was immer erforderlich ist. Ich habe keine Angst vor Experimenten.«
    »Finden Sie das ethisch?«
    »In der finsteren Zeit, in der wir leben, betrachte ich es als unbedingt erforderlich.«
    »Also schön, meinetwegen. Tauschen wir ein paar Geschichten aus. Ihr Gequassel vorhin, Sie wären der Fährmann zur Unterwelt, hat für mich ein wenig abgenutzt geklungen. Das über den Holocaust kam von Herzen. Sie sind mehr als nur ein passiver Beobachter, was sexuellen Missbrauch angeht, richtig?«
    Malik sieht mich fasziniert und zornig zugleich an, doch die Faszination überwiegt. »Was wollen Sie andeuten?«
    »Dass Sie persönliche Erfahrungen haben.«
    »Sie sind sehr scharfsinnig.«
    »Sie wurden als Kind sexuell missbraucht?«
    »Ja.«
    Ich spüre ein eigenartiges Zittern in den Gliedmaßen, wie von einem schwachen Stromschlag. Das sind die Dinge, die Kaiser will und braucht. »Von wem?«
    »Von meinem Vater.«
    »Das tut mir Leid. Haben Sie die Erinnerungen daran unterdrückt?«
    »Nein. Aber es hat mich dennoch zerstört.«
    »Können Sie darüber reden?«
    Malik winkt ein weiteres Mal ab. »Der eigentliche Missbrauch … welchen Sinn macht es? Es sind nicht die Verbrechen an uns, die uns zu etwas Einzigartigem machen, sondern unsere Reaktionen darauf. Als ich sechzehn war, habe ich mit meiner älteren Schwester darüber geredet, was mir widerfahren war. Ich habe es zumindest versucht. Ich war ziemlich betrunken, und sie hat mir kein Wort geglaubt.«
    »Warum nicht?«
    »Sarah war zum damaligen Zeitpunkt bereits verheiratet. Sie hatte mit siebzehn geheiratet … vor allem natürlich, um so schnell wie möglich aus dem Haus zu kommen. Ich fragte sie, ob unser Vater auch mit ihr so etwas getan hätte. Es hat sie völlig umgehauen. Sie wusste überhaupt nicht, wovon ich redete.«
    »Vielleicht hat sie nur so getan, als wüsste sie es nicht.«
    »Nein. Ihre Augen waren so leer wie die einer Puppe. Zwei Jahre später wurde ich eingezogen und nach Vietnam geschickt. Ich fand mich dort gut zurecht. Ich hatte eine Menge Wut in mir, aber auch das Verlangen, Menschen zu helfen. Ein ziemlich verbreiteter Widerspruch bei Missbrauchsopfern. Man hat mich zu den Sanitätern gesteckt, aber es gelang mir trotzdem, ein paar Vietnamesen zu erledigen.«
    »Vietkong?«
    Malik hebt eine Augenbraue. »Tote Vietnamesen waren per Definition Vietkong. Das wissen Sie doch sicher.«
    »Warum sollte ich das wissen?«
    Ein weiteres rätselhaftes Lächeln.
    Mein Gefühl von emotionaler Nacktheit ist zurückgekehrt. »Hören Sie, wenn Sie mir etwas über meinen Vater zu sagen haben, warum tun Sie es dann nicht? Sie kannten ihn, habe ich Recht?«
    »Ich kenne jeden Mann, der in Vietnam gedient hat, mehr oder weniger jedenfalls. Wir sind allesamt Brüder im Geiste.«
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
    Malik seufzt. »Ich kannte Ihren Vater nicht.«
    »Meinen Sie das wörtlich oder im übertragenen Sinn?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Hören Sie, Sie waren im gleichen Alter, kamen aus dem gleichen Staat, und Sie wurden beide nach Vietnam geschickt …«
    »An was erinnern Sie sich von jener Nacht, in der Ihr Vater starb, Catherine?«
    »Das ist nicht Ihre Angelegenheit.«
    »Ich würde es aber gerne zu meiner Angelegenheit machen. Ich glaube, ich könnte Ihnen helfen. Wenn Sie mir vertrauen, heißt das …«
    »Ich bin nicht wegen einer Therapie zu Ihnen gekommen, Doktor.«
    »Sind Sie sicher? Sie sehen aus, als könnten Sie einen Drinkgebrauchen. Ich habe Sake im Haus. Keinen Wodka, fürchte ich …«
    Woher weiß er, dass ich Wodka trinke? Erinnert er sich noch von damals daran? »Kommen Sie zum Ende mit Ihrer Geschichte«, versuche ich die Unterhaltung wieder auf sicheren Boden zu lenken.
    »War ich das nicht bereits?«
    »Ihre Schwester wurde ebenfalls missbraucht, richtig? Aber sie hat die Erinnerung daran verdrängt?«
    Malik betrachtet mich eine halbe Minute lang. Dann beginnt er mit weicher Stimme zu erzählen. »Als ich in Vietnam war, bekam ich einen Brief von Sarah. Sie hatte seit längerer Zeit Albträume, die sich zu Halluzinationen gesteigert hatten, wie sie meinte … Wachträume, Bilder von unserem Vater, der ihr die Kleider auszog und sie anfasste. Natürlich waren es Rückblenden von wahren Begebenheiten, keine Halluzinationen. Am Ende des Briefes schrieb sie mir, sie hätte daran gedacht, sich selbst etwas anzutun. Ihrem Leben ein Ende zu setzen.«
    »Was hat das

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