Bisswunden
Schreibtisch nach vorn und reicht es mir.
Es ist eine Visitenkarte.
Aus reiner Neugier stehe ich auf und nehme sie entgegen. Auf der Karte steht Maliks Name, darunter zwei Telefonnummern.
»Rufen Sie mich an«, sagt er. »Und keine Sorge, falls man beschließen sollte, mich in Beugehaft zu nehmen. Ich kann ganz gut auf mich selbst aufpassen.«
Die Sitzung ist zu Ende. Ich gehe zur Tür und drehe mich ein letztes Mal zu Malik um. Er sieht merkwürdig aus, wie er dort steht, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und so reglos, dass er wie aus Stein gemeißelt wirkt. Ich bin nicht sicher, ob er während der gesamten Unterhaltung auch nur ein einziges Mal geblinzelt hat.
»Machen Sie sich keine Selbstvorwürfe«, sagt er.
18
I ch sitze auf dem Rücksitz eines Crown Victoria des FBI und lehne mich an Sean, während der Wagen über die West Esplanade jagt und den Lake Pontchartrain auf dem Weg zur FBI-Außenstelle umrundet. John Kaiser sitzt vorne neben dem jungen Fahrer und spricht in ein großes Mobiltelefon, das jedes gesprochene Wort augenblicklich verschlüsselt.
»Finden Sie alles heraus, was es über Maliks Schwester und ihren Tod herauszufinden gibt«, befiehlt Kaiser seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung. »Malik hat Dr. Ferry gesagt, sie hätte Selbstmord begangen. Außerdem willich alles über Maliks Vater wissen. Und setzen Sie sich mit dem Verteidigungsministerium in Verbindung. Ich will mehr über Maliks Gefangenschaft in Kambodscha erfahren, und ob er die Wahrheit darüber gesagt hat. Ich habe nichts davon in seiner Akte gesehen. Möglich, dass er dem einen oder anderen Opfer in einem Gefangenenlager begegnet ist …«
Ich verdränge Kaisers Stimme aus meinen Gedanken und setze mich gerade hin. Während des gesamten Treffens mit Malik habe ich mich gut geschlagen, doch als ich wieder draußen auf der Straße war, habe ich zu zittern angefangen wie ein Soldat nach seiner ersten Schlacht.
»Das gibt sich bald wieder«, versichert Sean mir und drückt meine Hand. »Du hast dich großartig geschlagen.«
»Hast du alles gehört?«
»Jedes Wort. Ich denke, Malik könnte unser Täter sein.«
Ich schließe die Augen und packe den Türgriff. Jeder Nerv in mir fühlt sich an, als knisterte er vor elektrischer Statik. »Ich fühle mich eigenartig«, sage ich zu Sean.
»Eigenartig?«
»Zittrig. Ich möchte jetzt eigentlich niemanden sehen.«
Sean verzieht das Gesicht. »Sie wollen aber mit dir reden, Baby. Schaffst du das?«
»Ich weiß nicht. Im Augenblick würde ich am liebsten aus dem Wagen springen.«
Er packt mein Handgelenk, fest genug, um mich zu halten, falls ich tatsächlich zu springen versuche. Ich habe diesen Zwang schon früher gespürt, während depressiver Phasen, und ein paar Mal stand ich dicht davor, ihm nachzugeben.
»Ich tue alles, was du möchtest, Cat. Sag es einfach.«
Kaiser telefoniert inzwischen mit dem Chief des nopd. In etwa einer Stunde wird es eine Anhörung vor einem Distriktsrichter geben, und das fbi wird argumentieren, dass Malik durch Beugehaft gezwungen werden soll, die Namen seiner Patienten zu nennen. Malik hat offenbar vor, keinen gesetzlichen Vertreter hinzuzuziehen und sich selbst zu verteidigen.Kaiser scheint zuversichtlich, dass der Richter zugunsten des fbi entscheiden wird, doch irgendetwas sagt mir, dass er seinen Gegenspieler möglicherweise unterschätzt hat. Und ich frage mich, ob Malik tatsächlich lieber ins Gefängnis gehen wird, bevor er seine Patienten »verrät«.
»Alles in Ordnung, Dr. Ferry?«, fragt Kaiser, während er auflegt und sich im Sitz nach mir umdreht.
»Sie kann im Augenblick nicht in die Außenstelle«, sagt Sean.
Kaisers Blicke bleiben auf mich gerichtet. »Warum nicht?«
»Sie ist zu erschüttert. Sie braucht ein wenig Zeit, um sich zu sammeln.«
Der fbi-Agent nickt, doch seine Augen bleiben sachlich. »Es ist völlig normal, dass man nach einer Begegnung wie dieser zittrig wird. Wir nehmen uns ein wenig Zeit in meinem Büro und entspannen uns, bevor wir mit dem Leitenden Special Agent oder sonst jemandem sprechen.«
Ich will es ihm erklären, doch aus irgendeinem Grund gelingt es mir nicht. Sean sieht mich an; dann blickt er zu Kaiser. »Sie verstehen nicht, John. Wenn sie sagt, sie kann im Augenblick nicht, dann kann sie nicht.«
Kaisers Augen betasten mich wie die Hände eines Arztes. Erneut fühle ich mich an den Schwimmtrainer aus meiner Mädchenzeit erinnert. Harte Augen, die meine Fähigkeit
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