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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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damals auf den Gefangenen, sondern meine Nerven. Bei uns allen gibt’s einen bestimmten Punkt, an dem wir durchdrehen. Man sitzt jahrelang da und hört sich diesen obszönen Kram an, ist professionell, wahrt Distanz. Und dann, eines Tages, noch bevor Sie merken, wie Ihnen geschieht, platzt die dünne Schale. Es ist genauso, wie Sie in Maliks Praxis gesagt haben, Dr. Ferry. Wenn Malik diese Kerle umbringt, dann deswegen, weil er glaubt, im Recht zu sein. Es ist ein Kreuzzug. Sie sind Kinderschänder, und er hat beschlossen, dass es nur eine wirksame Antwort auf das Problem gibt, nämlich, sie auszuschalten.«
    »Glauben Sie, dass es sich so abspielt?«
    »Falls ja, dann hoffe ich, dass die Öffentlichkeit es niemals herausfindet.«
    »Warum nicht?«
    »Weil eine Menge Leute wahrscheinlich der gleichen Meinung wären wie er.« Kaiser seufzt wie ein Mann, der mit seinen eigenen Dämonen ringt.
    Bevor ich erneut sprechen kann, läutet Kaisers Mobiltelefon. Er nimmt das Gespräch an, dreht sich nach vorn und ist augenblicklich in logistischen Details gefangen.
    Wir sind inzwischen ganz in der Nähe meines Hauses angekommen. Ich lasse Seans Hand los und halte Ausschau nach dem Haus, sobald wir in die Straße eingebogen sind. Zuerst entdecke ich die Bäume, die Trauerweiden, die die Westseite beschatten, und die Gruppe Pinien auf der anderen Seite. Obwohl ich Nachbarn sowohl rechts als auch links habe, erweckt die Biegung des Dammes den Anschein von Abgeschiedenheit, und das ist einer der Hauptgründe, warum ich es gekauft habe. Das und der Ausblick auf den See aus dem ersten Stock. Ich muss in der Nähe von Wasser wohnen.
    Der Crown Vic hält vor dem geschlossenen Garagentor,das Seans Wagen stets vor neugierigen Blicken abgeschirmt hat. Jetzt macht es nicht mehr viel Sinn, den Wagen zu verstecken. Bis heute Abend weiß jeder im Department über uns Bescheid.
    Sean greift über mich hinweg und öffnet meine Tür. Ich warte, um mich von Kaiser zu verabschieden, doch seine Unterhaltung ist im vollen Gang, also steige ich aus und setze mich in Richtung meiner Haustür in Bewegung. Ich bin fast da, als ich hinter mir Schritte klappern höre.
    »Dr. Ferry!« Es ist Kaiser, der mir hinterhertrottet.
    Ich bleibe stehen und warte. »Vor Maliks Praxis haben wir uns mit Vornamen angeredet«, sage ich.
    »Das ist auch gut und richtig«, antwortet er. »Doch in einer Situation wie dieser ist es besser, gewisse professionelle Grenzen aufrechtzuerhalten.«
    Was für eine Situation?, überlege ich, während auch Sean hinter Kaiser herankommt.
    »Ich weiß zu schätzen, was Sie heute für das fbi getan haben«, sagt Kaiser. »Ich würde Sie gerne nachher in unserer Außenstelle sehen, sobald Sie sich erholt haben.«
    Ich höre gar nicht richtig zu. »Agent Kaiser«, sage ich. »Halten Sie es für möglich, dass ich auf irgendeine Weise mit diesen Morden zu tun habe? Oder mit Nathan Malik?«
    Kaisers Gesichtsausdruck ändert sich kein bisschen. Wahrscheinlich ist er ein sehr guter Pokerspieler. »Ich denke, Sie haben heute getan, was Sie konnten, um uns bei der Aufklärung dieses Falles zu unterstützen«, sagt er. »Und ich glaube, die entsprechenden Leute werden das nicht übersehen.«
    »Warum hat Malik mir gesagt, ich solle mir keine Vorwürfe machen? Was meinen Sie?«
    »Keine Ahnung. Was glauben Sie, was er gemeint haben könnte?«
    Das ist ja fast, als würde ich mit einem Seelenklempner reden. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
    Kaiser blickt zu Boden; dann sieht er mich wieder an. »Wirmüssen wohl oder übel versuchen, das gemeinsam herauszufinden.«
    Das ist alles, was er preisgibt. Ich reiche ihm die Hand, und er schüttelt sie. Dann betrete ich mein Haus, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

19
    I ch stehe an meinem Panoramafenster und blicke hinaus auf den See. Mein Zusammentreffen mit Malik hat mich zutiefst aufgewühlt, und ich weiß nicht, warum. Seine kryptischen Kommentare über meinen Vater haben eine Vielzahl bruchstückhafter Erinnerungen geweckt, doch keine davon hat mir irgendetwas Nützliches verraten. Ich bin nicht einmal sicher, ob die Bilder in meinem Verstand real sind, oder ob ich sie mir aus alten Fotos und Erzählungen zurechtgestückelt habe. Ein paar Dinge weiß ich mit Sicherheit – hängen geblieben aus jenen Nächten, in denen ich im Dachgebälk der Scheune saß, die mein Vater als Atelier nutzte und wo ich ihm bis in die frühen Morgenstunden bei der Arbeit zuschaute.
    Ich höre immer noch das

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