Bisswunden
nicht.« Ich spüre Tränen auf den Wangen. »Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe das Gefühl, als gäbe es irgendeinen Zusammenhang zwischen allem, aber ich sehe nicht, wie …«
»Was für einen Zusammenhang?«
»Irgendeinen. Alles steht in irgendeinem Zusammenhang! Die Morde, ich, Malik. Kaiser ist auch der Meinung. Er sieht nur keinen Vorteil darin, es mir jetzt schon zu sagen.«
»Komm schon, Cat. Wie kann das alles in einem Zusammenhang stehen?«
»Wie kann es das nicht? Vor einem Monat haben diese Morde angefangen. Dann bekomme ich Panikattacken an jedem Tatort, was mir vorher nie passiert ist. Und die einzige Verbindung zwischen den Mordopfern ist ein Psychiater, den ich rein zufällig vor zehn Jahren gekannt habe … ein Seelenklempner, der hinter mir her war. Dann findet ihr eine weitere Verbindung zwischen den Opfern. Vietnam. Und wer war in Vietnam? Mein Vater, Nathan Malik und zwei der Opfer. Vielleicht auch mehr. Und alle im gleichen Jahr! Wie stehen die Chancen für so einen Zufall, Sean?«
»Ich bin kein Mathematiker, aber unmöglich ist es nicht. Solche Zufälle gibt es am laufenden Band.«
Sein Versuch, die Bedeutung dieser Fakten herunterzuspielen, macht mich wütend. »Mein Vater wurde ermordet, Sean! Und ich weiß nicht, warum!« Ich berühre die Scheibe des Panoramafensters. Das kühle Glas beruhigt mich irgendwie. »Ich erinnere mich an nichts aus jener Nacht … erst wieder, als ich Vaters Leichnam im Garten gesehen habe. Aber ich habe Blutspuren in meinem alten Zimmer gefunden. Und ich habe Albträume, die sich wiederholen … und Halluzinationen, dieimmer schlimmer werden. Der verdammte Regen … er hört nicht auf. Und worauf hat sich Malik spezialisiert? Verlorene Erinnerungen.«
Sean blickt mich seltsam an. »Von was für einem Regen redest du? Und wo hast du Blutspuren gefunden?«
Ich habe vergessen, dass er noch gar nichts von meinem Besuch in Natchez weiß. »In meinem alten Zimmer, wo ich aufgewachsen bin. Altes Blut. Ich glaube, es stammt aus der Nacht, in der mein Vater starb.«
»Cat … wovon redest du? Das liegt zwanzig Jahre zurück!«
»Dreiundzwanzig. Ich habe das Blut ganz zufällig gefunden. Als ich vor ein paar Tagen nach Hause gefahren bin … gütiger Gott, das war gestern! … hat ein kleines Mädchen etwas von meinem Luminol im Zimmer versprüht. Ich glaube, sie haben mich all die Jahre angelogen … meine Mutter, unser Kindermädchen, mein Großvater. Eine Zeit lang hatte ich befürchtet, mein Vater könnte sich selbst das Leben genommen haben, aber das glaube ich jetzt nicht mehr. Ich glaube vielmehr …«
Sean packt meine Schultern so fest, dass ich verstumme. »Du musst dich beruhigen, Cat. Ich möchte deine Geschichte hören, aber du musst dich erst beruhigen.«
Er hat Recht. Meine Gedanken überschlagen sich, aber ich will nicht, dass sie langsamer werden. Ich habe während meiner manischen Phasen erstaunliche Epiphanien gehabt. Aus der Schwindel erregenden neurochemischen Höhe betrachtet ordnen sich scheinbar belanglose Einzelheiten, die für normale Menschen keinen Sinn ergeben, zu kohärenten Mustern. Ich bin sicher, dass mir die Verbindung zwischen mir, Malik, seinen Patienten und den Opfern bewusst wird, sobald mein Gehirn die nächste Bewusstseinsebene erreicht.
»Erzähl mir von Natchez«, fordert Sean mich auf. »Was ist in Natchez passiert?«
»Ich glaube, ich habe gesehen, wie mein Vater ermordet wurde, Sean.«
»Warum glaubst du das?«
»Weil ich noch in der Nacht, in der er umgebracht wurde, zu reden aufgehört habe – ein ganzes Jahr lang. Und nachdem ich heute mit Malik gesprochen habe, denke ich, dass ich möglicherweise von dem, was ich in jener Nacht gesehen habe, so traumatisiert war, dass es zu einer Dissoziation führte. Dass die Wahrheit über den Tod meines Vaters irgendwo in meinem Kopf eingesperrt ist, wo ich sie nicht erreichen kann.«
»Was willst du jetzt tun?«
»Ich will noch einmal mit Malik reden.«
Sean blinzelt ungläubig. »Gütiger Gott, Cat! Der Kerl ist bald im Gefängnis!«
»Das ist mir egal. Ich glaube, dass er etwas über mich weiß.«
»Was könnte er denn über dich wissen?«
»Den Grund, warum mein Vater starb.«
»Du hast mir erzählt, dein Vater wäre von einem Eindringling erschossen worden. Und deine Albträume erzählen die gleiche Geschichte. Gesichtslose Männer, die sich Zutritt zu eurem Grundstück verschaffen und durch euer Haus streifen.«
»Was, wenn sie auch eine
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