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Bisswunden

Bisswunden

Titel: Bisswunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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während ich versuche, mir meinen Vater in dem kleinen Gebäude vorzustellen oder vielleicht sogar an diesem Picknicktisch hier. Er brauchte eine Menge mehr Platz als andere Leute.
    »Alles, was ich wirklich weiß«, fährt Burley fort, »ist, dass Luke keine normale Dienstzeit in Nam geleistet hat. Wie ich gehört habe, war er ein erstklassiger Schütze, lange bevor er eingezogen wurde. Hat wahrscheinlich sein ganzes Leben lang draußen in Cranfield gejagt. Sie haben ihn zur Fallschirmjäger-Eingreiftruppe gesteckt und zum Scharfschützen ausgebildet.«
    »Einem Scharfschützen?« Das hat mir bis heute niemand gesagt.
    Burley nickt. »Das ist ein verdammt harter Job. Man sieht ganz genau, wen man erledigt. Und nicht in der Hitze des Gefechts. Um so etwas zu tun, muss man imstande sein, kaltblütig zu töten. Und wenn man nicht gewaltig eine Schraube locker hat, ist man danach nie wieder der gleiche.«
    Ich kann nicht glauben, dass mir niemand in der Familie davon erzählt hat. Aber vielleicht wussten sie es ebenfalls nicht. »Erinnern Sie sich noch an etwas anderes?«
    Burley holt tief Luft und seufzt. »Ein paar von den Jungs haben Luke ein paar Einzelheiten aus der Nase gezogen. Ihr Dadwurde in eine Spezialeinheit aufgenommen. Eine Art Überfallkommando. Die Sorte von Einheit, die man dorthin schickt, wo sie eigentlich nicht sein dürfen.«
    »Beispielsweise?«
    »Beispielsweise Laos und Kambodscha.«
    Ein unerklärliches Frösteln durchfährt mich. Ich schließe die Augen und sehe Nathan Malik vor mir sitzen, wie er mir von seinem Steinbuddha erzählt. Ich habe ihn aus Kambodscha mitgebracht. Er ist fünfhundert Jahre alt …
    »Wissen Sie mit Sicherheit, dass mein Vater in Kambodscha war?«
    »Ich weiß überhaupt nichts mit Sicherheit, Honey. Aber das war einer von diesen Orten, wo wir eigentlich nicht sein durften. Und irgendwie gab es dann Scherereien wegen dieser Einheit, in der Ihr Dad war. Gerüchte über Gräueltaten … Anschuldigungen und so weiter.«
    Ich schüttele den Kopf, mehr aus Überraschung als aus Unglauben.
    »Die Regierung hat eine Untersuchung angeleiert und wollte ein paar Leute vors Kriegsgericht stellen, aber dann hat sie alles fallen lassen. Die ganze Geschichte durch den Pentagon-Lokus runtergespült.«
    »Wann war das?«
    »Teilweise schon während des Krieges, glaube ich. Kurz nachdem diese Gerüchte aufkamen. Und dann später noch einmal. Ich glaube allerdings, zu diesem Zeitpunkt war Luke schon tot.«
    »Hören Sie, Mr. Burley, ich möchte, dass Sie ehrlich zu mir sind. Glauben Sie, dass mein Dad in Kriegsverbrechen verwickelt war?«
    Der Veteran denkt eine Weile nach, bevor er antwortet. »Ich sage Ihnen eins, Cat, im Rückblick heute erscheint mir eine Menge von dem, was ich getan hab, als ein Verbrechen. Aber damals, als ich drüben war, da habe ich nicht eine Sekunde darüber nachgedacht. Es gehörte zum Job. Die Regeln für denKampfeinsatz haben nicht die Hälfte aller Situationen abgedeckt, in die wir geraten sind. Es ging um unser Überleben. Wir hatten nicht den Luxus, in Ruhe überlegen zu können. Heute zeigen viele Hollywoodfilme GIs, die den armen Vietkong Ohren abschneiden und Frauen und Kinder killen. Und das ist hin und wieder auch passiert … und Schlimmeres. Aber die meisten Jungs haben nur ihren Dienst abgeleistet und sich alle Mühe gegeben, trotzdem ehrenwerte Leute zu bleiben.«
    »Da bin ich sicher. Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich will mehr über meinen Vater erfahren.«
    Burley lächelt mich schwermütig an. »Ich rede von Ihrem Vater, auch wenn es vielleicht nicht so klingt, Miss. Ich sage Ihnen – was immer Luke getan hat, Sie können es nicht verstehen, nicht rückblickend aus den usa und fünfunddreißig Jahre später. Ich versuche nicht, Gräueltaten und Verbrechen zu entschuldigen, ich sage nur … verdammt, ich weiß nicht, was ich sagen will.«
    Ein Gefühl von tiefer Frustration steigt in mir auf. »Könnte ich mit jemandem reden, der ein bisschen mehr weiß? Irgendjemand, dem mein Vater sich anvertraut haben könnte?«
    Burley zuckt die Schultern. »Da gab es einen Schwarzen, mit dem Luke für eine Weile ziemlich eng befreundet war. Viele der Kameraden kommen nicht zu uns, obwohl sie es könnten. Wir versuchen alles, um sie willkommen zu heißen – ein Vet ist schließlich ein Vet, verstehen Sie? Aber es war drüben schon genauso. Ganz besonders nach achtundsechzig, nachdem Dr. King ermordet worden war.«
    »Erinnern Sie sich an den

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