Bisswunden
Rasen steht eine Konstruktion, so groß wie ein Haus, errichtet aus Holzpfeilern und behängt mit Fallschirmenund Tarnnetzen. Unter den Netzen befindet sich eine Strohhütte, und vor der Hütte bildet ein Army-Zelt die Mitte eines simulierten Militärcamps. Aus dem Zentrum dieses Arrangements ragt eine Stahlstrebe auf, an deren Spitze die Skulptur meines Vaters angebracht ist: Ein Huey-Helikopter aus gebürstetem Stahl mit einem verwundeten Soldaten, der an einer Winde unter der Maschine hängt. Es ist eines der realistischsten Werke, die mein Vater jemals angefertigt hat. Der größte Teil seiner Arbeiten – insbesondere der späteren Arbeiten – war wesentlich abstrakter, wie beispielsweise der große Baum zwischen der Zwillingstreppe bei der öffentlichen Bücherei. Doch der aufsteigende Helikopter hatte damals jedem gefallen. Es ist mir rätselhaft, was er hier inmitten dieses zusammengewürfelten Displays zu suchen hat.
»Kann ich Ihnen helfen, Miss?«
Ein massiger Mann mit einem wirren Bart kommt mir entgegen. Er trägt Army-Hosen, ein schwarzes T-Shirt und Harley-Davidson-Motorradstiefel. In seinem linken Ohrläppchen glänzt ein goldener Ring, und über seiner rechten Schulter hängt ein geflochtener grauer Pferdeschwanz. Er sieht nach Ende fünfzig aus.
»Ich hoffe es. Mein Dad hat diesen Hubschrauber gemacht. Ich bin vorbeigekommen, um ihn mir anzusehen.«
Ein Lächeln erhellt die Miene des Mannes. »Sie sind Luke Ferrys Tochter?«
Es fühlt sich gut an, nicht immer nur als William Kirklands Enkeltochter erkannt zu werden. »Ja. Kannten Sie meinen Vater?«
»Sicher. Nicht allzu gut, aber er kam zu ein paar unserer Meetings. Hat sich ziemlich abgesondert von den anderen. Aber er hat diesen Helikopter für uns gemacht. Ich sag Ihnen, für jeden, der in Vietnam war, ist der Huey Medevac voller Schönheit. Wie ein Schutzengel, der vom Himmel steigt, um dich aus der Hölle zu retten.«
Ich nicke, während mir Zweifel kommen, warum icheigentlich hier bin. »Ich dachte, Sie hätten ihn im Gebäude aufgebaut?«
»Das haben wir auch, den größten Teil des Jahres. Aber an jedem Vierten Juli segnet der Priester von St. Mary’s die Flotte draußen auf dem Lake St. John. Es gibt eine Bootsparade und Wettbewerbe für die schönsten Flöße. Wir bauen jedes Jahr eins für unsere mias. Um sie im Gedächtnis der Leute zu behalten, verstehen Sie? Wir haben den Chopper Ihres Vater seit vier Jahren für dieses Fest auf dem Floß.«
»Hat er den ganzen letzten Monat hier draußen gestanden?«, frage ich.
Der Bärtige sieht mich beinahe verlegen an. »Er war bis heute mit Planen abgedeckt. Ich bin eigentlich hier, um das Floß abzubrechen. Wir haben es auf einem Tieflader vom See hergebracht, und weiter als bis hier sind wir nicht gekommen. Alle waren ein wenig betrunken. Aber die Leute lieben es, wenn sie den Huey über den See herankommen sehen. Gibt ihnen ein gutes Gefühl. Besonders in den letzten beiden Jahren, wo all die vielen Jungs in Übersee Dienst leisten.«
Ich muss lächeln. »Daddy hätte es gemocht.«
Der Veteran nickt, dann streckt er mir die Hand hin. »Jim Burley, Miss. Ich bin stolz, Sie kennen zu lernen.«
»Cat Ferry.«
Ein weiteres Lächeln. »Cat, hm?«
»Kurzform von Catherine.«
»Ah, kapiert. Nun, was kann ich für Sie tun?«
Mir sagen, dass mein Vater ein guter Mann war … »Nun ja, ich war erst acht, als mein Vater starb, und er hat mir nie erzählt, wie es im Krieg war. Wissen Sie vielleicht, was er in Vietnam gemacht hat?«
Burley denkt ein paar Sekunden nach; dann kratzt er sich an seinem dichten Bart. »Kommen Sie, gehen wir da drüben in den Schatten und setzen uns ein wenig.«
Ich folge ihm zu einem olivgrünen Picknicktisch unter einer Eiche und nehme ihm gegenüber Platz. Ein Autoaufkleber aufdem Tisch verkündet: für alle, die dafür gekämpft haben, hat freiheit einen geschmack, den die, deren freiheit beschützt wird, niemals kennen lernen.
»Ihr Dad war ein stiller Bursche«, beginnt Burley. »Aber ich nehme an, das wissen Sie bereits. Er war ein paar Jahre jünger als ich, der alte Luke. Hat seine Dienstzeit in Nam zwei Jahre nach mir abgeleistet. Viele von den Jungs, die hierher kommen, sind stille Typen, aber in der Regel öffnen sie sich nach einer Weile. Luke blieb still. Er war nicht unfreundlich oder so, nein. Aber er hat ein wenig mehr Raum gebraucht als die meisten anderen, verstehen Sie? Der Krieg hat das bei einigen von uns bewirkt.«
Ich nicke,
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