Bist du mein Kind? (German Edition)
aber haben sich gut im Griff.
Dann stellen sie sich beide im feinsten Französisch bei Isabelle vor und geben Küsschen rechts und links, insgesamt drei Mal. Das können sie besser als ich.
Endlich ist Wolfgang an der Reihe. Seine Stimme ist belegt, als er Laurent begrüßt.
Dann stellt er sich bei Isabelle vor und ich übersetze.
Sie bittet uns hinein.
Die Einrichtung ist im Stil von unserem deutschen „Gelsenkirchener Barock“ gehalten, nur dass die Möbel aus Massivholz sind. An den Wänden hängen ausgestopfte Tiere und das ganze Esszimmer ist mit viel Kitsch beladen. Kein Vergleich mit unserem schönen Ferienhaus.
Wir sind alle etwas verlegen. Mutter und Tochter sind superschlank, so wie man sich Französinnen halt vorstellt. Laurent/Maxi sagt auch nix. Wir wissen nicht so richtig, ob wir uns hinsetzen sollen oder stehenbleiben.
Also stehen wir erst hinter den Stühlen. Aus der Küche hören wir ein Geräusch. Wir drehen uns um und sehen einen kugelrunden Mann mit schütterem Haar auf uns zukommen. Er hat so ein freundliches Lachen im Gesicht und kommt so herzlich auf uns zu, dass wir regelrecht erleichtert sind.
Er stellt sich vor und umarmt uns alle.
Claude heißt er und er ist der „Vater“. Er bittet uns, Platz zu nehmen und Isabelle verschwindet mit ihrer Tochter Geraldine in der Küche.
In der Zwischenzeit holt er ein dickes Buch und legt es auf den Tisch. Dabei strahlt er uns so liebenswürdig an, dass ich ihn direkt in mein Herz schließe.
„Mein Wörterbuch Deutsch-Französisch aus der Schule. Das ist fünfunddreißig Jahre her. Aber ich habe es immer noch. So können wir Wörter nachschauen, die wir nicht wissen.“
Und dann spricht er englisch mit uns. Ich bin total gerührt, weil dieser Mann so unglaublich nett ist.
„Lieber Claude, machen Sie sich keine Sorgen. Ich verstehe sehr gut Französisch und auch meine beiden Söhne sprechen Französisch, weil sie es in der Schule lernen. Deshalb werden wir uns schon nett unterhalten können“.
„Laurent hatte uns schon erzählt, dass Sie Französisch können, aber dass Sie das so gut können, hatte er nicht erwähnt. Ich bin wirklich erleichtert“.
Wolfgang sieht uns ratlos an und Claude und ich müssen lachen.
„Spricht Ihr Mann kein Französisch?“
„Ihm geht es wie Ihnen, er hatte vor fünfunddreißig Jahren Französisch in der Schule und seitdem nicht mehr“.
Langsam entspanne ich mich.
Isabelle und Géraldine kommen mit Platten voller Essen aus der Küche und tragen auf. Claude entkorkt eine Flasche Champagner und gießt uns ein.
So folgt Gang auf Gang und der ungewohnte Alkoholgenuss lässt uns alle immer lustiger werden.
Zwischendurch beobachte ich meine Söhne, die sich mit uns und ohne uns köstlich unterhalten. Mit der Verständigung gibt es keine Probleme, weil ich den hiesigen Dialekt sehr gut verstehe.
Immer wieder muss ich Maxi ansehen, wie er mit Leon lacht und kichert. Und auch Timo ist integriert. Ob sie im Moment noch daran denken, dass Maxi ihr Bruder ist?
Ich fühle Blicke auf mir ruhen.
Als ich aufblicke, fällt mein Blick auf Isabelle. Sie beobachtet mich. Sie sieht sehr ernst und nachdenklich aus. Im Moment, als sie bemerkt, dass ich sie ansehe, lächelt ihr Mund. Ihre Augen bleiben ernst.
Aufpassen Monika, du willst doch nicht am ersten Abend mit der Tür ins Haus fallen!
Nach acht(!) Gängen und ungefähr sechs Stunden später schießen wir im rechten Winkel zur Tür hinaus. Das heißt, ich schieße und Wolfgang geht gerade. Ich bin reichlich angetrunken, weil ich so viel Wein und Champagner nicht vertrage.
Ich beschließe, zu Fuß zurück zu gehen. Als ich Wolfgang das sage, ist er erstaunt, nickt mir aber zu und sagt liebevoll:
„Hast du dein Handy mit? Und findest du den Weg?“
„Schatz, nach der Stadtbesichtigung heute ist es doch ganz einfach. Ich gehe jetzt immer geradeaus und dann nachher halte ich mich links“.
„Okay, Liebling wenn es nicht geht, ruf mich an“.
Er fährt mit Leon und Timo davon. Der Abend ist lau und es ist fast noch hell. Ich atme tief die frische Luft ein und genieße den Spaziergang. Langsam schwindet das beschwipste Gefühl und ich fange an, nachzudenken.
Eigentlich hat uns dieser Abend kein Stück weiter gebracht. Wir waren einfach nur Gäste, die gut gegessen haben und nett bewirtet wurden. Aber haben wir irgendetwas verändert heute Abend?
Nein, nichts ist passiert. Wir treten auf der Stelle.
Aber was hätten wir auch heute tun
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