Bist du mein Kind? (German Edition)
Straße. Alles ist hügelig und auch schön verwinkelt. So, wie man sich halt französische Dörfer vorstellt.
Es gibt zwei Apotheken, mehrere Frisöre, Reinigungen, Blumenläden, einen Optiker mit Schmuckgeschäft, ein paar Banken, eine Post, Bäckereien, Metzger, kurz, alles was man braucht. Etwas außerhalb gelegen befindet sich ein riesiger Supermarkt, in dem man alles kaufen kann. Von Streichhölzern bis hin zu Gartenmöbeln. Und ein paar hundert Meter dahinter entdecken wir sogar einen deutschen Discounter.
Als wir das nun alles besichtigt haben, lenkt Jean-Marie Wolfgang noch zu der kleinen Pension, in der er mit seinem Team abgestiegen ist.
Wir gehen alle hinein und finden einen Raum, der wie ein Wohnzimmer eingerichtet ist, voll mit Computern und allen möglichen Geräten, deren Funktion ich nicht kenne. Einen Teil der Männer kenne ich noch.
Jean-Marie stellt uns alle nacheinander vor und mir schwirrt der Kopf vor lauter Namen. Alle sind freundlich und nicken uns aufmunternd zu.
Ein großer hagerer Mann mit einer gigantischen Nase schält sich aus einem Sessel, der viel zu klein für ihn erscheint. Er hat spindeldürre Beine, die in einer kurzen Hose stecken und in Sandalen enden, die so groß sind, dass man damit bequem über einen Bach schippern kann.
Er kommt mir strahlend entgegen und sein Lächeln nimmt ihn sofort für mich ein.
„Auguste de Bois“, stellt er sich vor.
Na, das passt ja, sehen seine Beine doch aus wie Stöcke.
„Ich bin der Psychologe. Ich kenne Ihre ganze Geschichte. Seit Wochen schon sitze ich mit Jean-Marie zusammen und wir überlegen gemeinsam, wie wir euch am besten helfen können. Eine vage Strategie haben wir schon, aber es erfordert viel Fingerspitzengefühl.
Aber an anderer Stelle und in einer anderen Situation würden ich Ihnen sagen, schöne Frau, dass ich dringend Jean-Marie therapieren müsste, um ihn von seiner Liebe zu heilen. Aber nun, wo ich Sie persönlich gesehen habe, muss ich sagen, kann ich ihn verstehen. Nun muss ich wohl leider auch mich therapieren. Sie haben einen weiteren Bewunderer dazu gewonnen.“
Ich sehe ihn an und weiß nicht, ob er es ernst meint oder ob er einfach nur eine riesige Portion Humor hat. Aber dann sehe ich den belustigten Zug um seine Mundwinkel und muss lachen.
Da er Französisch mit mir gesprochen hat, lachen auch meine Kinder mit, nur Wolfgang steht mal wieder dumm da. Aber wie kann ich ihm übersetzen, was Auguste gesagt hat, ohne ihn daran zu erinnern, dass zwischen mir und Jean-Marie ein Feuer schwelt, das jederzeit entfacht werden kann?
Also sage ich nichts und sehe, dass er ärgerlich seine Augenbrauen zusammen zieht.
„Können wir denn jetzt mal unser Ferienhaus und den Pool ansehen?“ fragt Leon in die Runde.
Manchmal ist er mir unheimlich. Er hat immer so ein Gespür für schwierige Situationen und versteht es außerordentlich gut, diese zu entkrampfen.
„Na klar“, antwortet Jean-Marie und schiebt uns nach draußen.
Auguste strahlt mich im Vorbeigehen wieder an und sagt, diesmal in einem lustigen Deutsch:
„Ich ‘offe, dass isch disch bald wiedersehe, Madame, damit mein ‘erz weitärr leiden kann“.
„Gerne, denn ich liebe es, wenn Männer meinetwegen leiden“, antworte ich auf Französisch.
Er lacht und gibt mir einen Klaps auf den Arm und schon sind wir durch die Tür.
Jean-Marie geht nah hinter mir und wieder atme ich tief ein, um seinen Geruch ganz intensiv wahrzunehmen.
Wir fahren auf die alte Schule zu, die nun für eine Woche unser Zuhause wird und uns Zuflucht bieten soll, wenn es emotional nicht mehr geht.
Von außen sehen wir nur ein paar große Fenster, eine Mauer und eine lange Auffahrt. Als wir diese hinauffahren, bietet sich eine Idylle, die uns den Atem verschlägt.
Wir fahren auf ein kleines Rondell. Dort stellen wir den Wagen ab, steigen aus und sehen einen Garten, eingefasst von einer halbhohen Mauer mit einem windschiefen Gartentörchen. Dieses steht weit auf und gibt den Blick auf eine mit alten Dachziegeln eingedeckte Veranda frei, unter der eine große Gartenmöbelgruppe aus Holz steht. Dort befindet sich auch der Haupteingang.
Alles ist liebevoll dekoriert mit alten und neuen Sachen. Das ist so perfekt gemacht, dass sich alles zu einer Einheit zusammenfügt. Es sieht so aus, als stünden die Sachen schon immer hier.
An der Stirnseite des Parkplatzes befindet sich der von der gleichen Mauer umgebene riesengroße Swimmingpool. Von dort kommt ein schlanker Mann mit
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