Bist du mein Kind? (German Edition)
lächeln und Auguste sagt genauso ernsthaft wie vorher Timo:
„Ich kann euch auch alle gut leiden“. Und dann sagt er verschwörerisch und zwinkert Timo dabei zu:
„Aber ganz besonders kann ich die holde Anmut leiden, die eure Mutter ist. Aber diese werte Dame steht ja schon zwischen zwei Welten, sodass ich ihr nur mein Herz zu Füßen legen konnte. Den Rest darf ich behalten!“
Die Kinder schauen ihn an, als hätte er nicht alle Tassen im Schrank. Ich muss lächeln und auch Jean-Marie grinst.
Wolfgang schaut nachdenklich von mir zu Jean-Marie.
„So, nun zu den Erwachsenen, die ja immer alles besser wissen, als die Kinder und immer alles richtig machen. Wie gedenkt ihr heute vorzugehen?“
Er schaut zuerst Wolfgang an. Und schon wieder geht das mir bestens bekannte Ritual los:
Worte suchen, darauf herumkauen, nochmals sortieren und dann erst ausspucken.
„Tja, ich dachte, man könnte mal die ein oder andere Bemerkung über Kindheit und Babyzeit einwerfen und dann sehen wie die Eltern reagieren. Zum Beispiel, die ersten Zähne und so“.
„Ja“, ruft Auguste begeistert, „man kann natürlich auch bei den Dinosauriern und der Eiszeit anfangen. Gute Idee, Monsieur. Sprache und Kommunikation sind nicht gerade dein Ding oder?“
Und plötzlich duzt er Wolfgang.
Ich bin sauer, weil er meinen Mann so bloß stellt.
„Auguste“, setze ich an, aber er gibt mir mit der Hand zu verstehen, dass ich still sein soll.
„Nicht böse sein, Wolfgang, ich bin ein Ekel. Immer sage ich, was ich denke, aber ich bin ein Guter. Sonst wäre ich nicht hier.
Mein Rat für heute: Seid still, beobachtet die Familie und vor allen Dingen, achtet auf die Mutter. Sie spürt, dass hier was in der Luft liegt. Lasst sie mal kommen. Geht unbefangen in den Tag hinein. Und seid locker und freundlich, so wie ich euch kennengelernt habe. Das ist meine Idee für heute“.
„Das ist alles?“ fragt Jean-Marie. „Monique kommt ja dann heute wieder nicht weiter und sie haben doch nur diese Woche“.
„Falsch“, antwortet Auguste, „sie haben ein ganzes Leben. Wenn es in dieser Woche funktioniert, wäre das rasant schnell und fantastisch. Aber er ist seit neun Jahren hier, da kommt es nicht auf ein paar Wochen und Monate an. Schließlich weiß Monique, wo er ist. Das ist schon ein Riesensprung. Die letzten neun Jahre wusste sie das nicht“.
Er sieht mich an: „Oder?“
Und schlagartig wird mir bewusst, dass er Recht hat. Die ganzen Jahre, die Ungewissheit, das Elend, die Trauer und immer wieder Leid, wenn ich von anderen Entführungsfällen höre. Das ist vorbei. Ich weiß, wo mein Sohn ist, dass es ihm gut geht und dass er sich wohl fühlt, dort wo er lebt. Ja, wahrhaftig, Auguste hat Recht. So klar, wie ich das nun sehe, fühle ich mich ganz entspannt. Ein Ruck geht durch mich hindurch und ich habe so viel Sympathie für diesen Menschen, dass ich ihn am liebsten umarmen möchte. Dann kommt aber sicher wieder ein dummer Spruch und der würde Wolfgang nicht guttun. Deshalb lächle ich ihn nur dankbar an und sage:“ Du bist wunderbar, Auguste“.
„Oh, Holde, bitte nicht, weiß ich doch, dass dieses Kompliment rein platonisch war und nicht aus Eurem Herzen springt. Ich aber will mehr: Eure Liebe, Eure Anmut und Eure Leidenschaft. Vor allem an der ist mir sehr gelegen. Also bitte, für die Zukunft nur noch Komplimente, die mich in Eure leidenschaftliche Umarmung führen“.
Alles lacht. Wolfgang auch. Gut so.
„Aber mal im Ernst“, fährt er fort, „wir sollten den heutigen Tage den Kindern überlassen. Die handeln intuitiv und unüberlegt. Und das sollten wir einfach für uns nutzen. Alle Erwachsenen planen ihre Handlungen und verfolgen ein Ziel. Die Kinder aber, auch wenn sie schon relativ groß sind, handeln in dem Moment und in der Situation. Daher lasst sie mal machen. Außerdem ist es möglich, dass Laurents Eltern die Ähnlichkeit zwischen Laurent und Leon auffällt. Und die ist nun wirklich nicht zu übersehen. Sie sind sich dermaßen ähnlich, dass das auch ein Blinder erkennen muss. Also, meine Lieben, lasst euch treiben. Wir sprechen uns später. Wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt, kommt anschließend einfach hier hinein geschneit. D’accord?“
Wir nicken ihm zu und machen uns auf den Weg.
Als wir ankommen, ist die Stimmung irgendwie anders als am Samstag.
Wir werden höflich begrüßt, aber die Situation ist angespannt. Mir fällt auf, dass Claudes Blicke zwischen Laurent und Leon hin und her fliegen.
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