Bist du mein Kind? (German Edition)
Deutschland besuchen. Immer wieder.
Wozu Sie natürlich auch herzlichst eingeladen sind. Wir werden weiterhin die Hilfe von Auguste in Anspruch nehmen und irgendwann, wenn wir alle denken, dass die Zeit reif ist, sagen wir ihm die Wahrheit. Und dann sehen wir weiter.
Ist das in Ihrem Sinne?“
Claude nickt und antwortet genau so langsam, damit ich wiederum übersetzen kann:
„Ich stimme Ihnen zu. Das ist ein goldener Weg. Wahrscheinlich ist es so das Beste. Wir müssen ihm erst Mal beibringen und auch das so schonend wie möglich, dass er von uns adoptiert wurde. Bisher haben wir einfach nicht den Mut aufgebracht, ihm das mitzuteilen. Und dann gehen wir Schritt für Schritt weiter. Ohne Groll gegeneinander, das müssen Sie mir versprechen. Sonst kann ich hier nicht mitziehen“.
Wolfgang sieht mich kurz von der Seite an.
„Wir werden keinen Groll gegen Sie hegen. Wir alle vier lieben ihn. Und das sollten wir in der ganzen Angelegenheit nicht vergessen. Wir werden immer nur so viele Schritte machen, wie Maxi aushalten kann.“
„Wie heißt er wirklich?“ fragt Isabelle.
„Er heißt Maximilian Reiter und wurde am 21.01.1997 geboren. Er ist also jünger, als Sie glauben. Und er wurde Ende Mai entführt. Aber das können wir später noch erzählen. Für heute ist es erst Mal genug oder nicht?“
Isabelle nickt mit dem Kopf und drückt nochmal meine Hand.
Just in dem Moment stecken zwei Jungs, nämlich Timo und Leon den Kopf zur Tür raus.
„Müssen wir schon los? Kann Laurent bei uns schlafen? Bitte, in jedem Zimmer sind doch zwei Betten, beziehungsweise bei Timo sind sogar drei. Da könnten wir alle in einem Zimmer schlafen, bitte ja?“
Auch Laurent schaut um die Ecke und sagt auf Deutsch:
„Bitte bitte Monika, bitte“.
Ich erkläre Isabelle und Claude, was die Drei vorhaben und sie überlegen gar nicht lange, sondern
sagen ganz spontan ja.
Laurent kommt mit einer fertig gepackten Tasche zur Tür hinaus und wir müssen lachen. Also beschlossene Sache, schon vorher.
Isabelle schaut mich mit einem ehrlichen Lächeln an und sagt:
„Bringen Sie ihn mir morgen zurück?“
„Aber natürlich, wie besprochen“, antworte ich.
Als wir endlich im Bett liegen, kann ich fast nicht einschlafen. Immerzu geht mir der heutige Tag durch den Kopf. Es ist so viel passiert. Nicht wirklich offensichtlich aber in meinem Inneren hat sich viel verändert und das ist gut so.
Meine Ohren hängen in Timos Zimmer bei meinen drei Söhnen. Ich lausche und höre sie kichern und lachen. So sollte es immer sein und so habe ich es mir seit zehn Jahren gewünscht.
Dass dieser Wunsch nun nicht so einfach in Erfüllung geht, obwohl wir Maxi gefunden haben, oder besser gesagt, obwohl er uns gefunden hat, empfinde ich nun nicht mehr als so schlimm.
Wir haben gesehen, wie und wo er lebt und dass es ihm gut geht. Er wird hier wohl nicht plötzlich verschwinden. Also haben alle recht.
Mir geht es gut und ich kann damit leben. Alles andere wird sich finden. Ich sehe auch noch mal Wolfgang an. Es ist fast dunkel im Zimmer. Aber seine Silhouette kann ich noch erkennen.
Auch wir beide haben viel zu reden und zu klären, aber das hat Zeit.
Zufrieden schlafe ich ein.
2010 Juli Tag 3 in Frankreich
Als ich am nächsten Morgen erwache, erschrecke ich. Ich habe das Gefühl, als hätte ich verschlafen. Quatsch Monika, du hast Urlaub und kannst solange schlafen wie du willst. Alles gut.
Leise schleiche ich zu Timos Zimmer. Die Tür steht sperrangelweit auf und ich schaue um die Ecke. Drei Betten, drei verwuschelte Köpfe. Ein so wunderbarer Anblick, dass mir die Tränen kommen.
Aber dieses Ziehen, was ich sonst im Herzen gespürt habe, bleibt aus.
Ich bin mit mir im Reinen und wir lassen alles langsam angehen. Auch hier alles gut.
Zurück in meinem Bett nehme ich mir mein Buch vom Nachttisch und fange an zu lesen. Schließlich will ich nicht schon anfangen zu rumoren, sonst würde ich ja alle aufwecken.
Unser Schlafzimmerfenster geht nach vorne zur Auffahrt und fängt direkt am Boden an. Durch den nur halb geschlossenen Vorhang kann ich vom Bett hinaus sehen. Mein Blick fällt nach draußen und ich sehe, wie langsam die Sonne aufgeht.
Das ist schon wieder so kitschig schön, dass ich nicht anders kann, als mein Buch zur Seite zu legen und nach draußen zu sehen.
Es herrscht ein ganz seltsames lachsfarbenes Licht und weil La Chataigneraie an einem Hang liegt kann ich genau sehen, wie alles in dieses unwirkliche Licht
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