Bist du mein Kind? (German Edition)
ausgesucht und wir haben dem zugestimmt. Es ist in der Tat etwas albern, aber so ist es.“
Etwas in mir zerbricht. Ich fühle nichts mehr. Ich ziehe einen Stuhl vom Tisch und setze mich.
Gedanken, Gefühle, Geräusche – alles weg. In der Mitte des Tisches sehe ich eine Intarsie. Na gut, alles klar. Das Lothringerkreuz. Das Symbol der Résistance. Jean scheint die Wahrheit zu sagen.
Ich lege den Kopf auf die Tischplatte und denke, wie schön es doch wäre, einfach einzuschlafen. Und dann im Bett aufzuwachen, die Kinder zu hören. Dann könnte ich zu Wolfgang sagen, dass ich einen riesengroßen Scheiß geträumt habe und nun Frühstück mache.
Ich höre Jean hantieren.
„Wir haben den Besitzer des Eiswagens ausfindig gemacht. Die Polizei ist auf dem Weg zu ihm“.
Ich drehe mich um. Er sitzt an einem der Computer und bedient die Maus. Ich schaue auf seine alten Hände.
„Wie alt bist du eigentlich?“
„Das kannst du leicht ausrechnen. Ich bin am 21. Januar 1920 geboren.“
Ich rechne und kann das kaum glauben. Jean ist einundachtzig Jahre alt? Hält Rotwein doch jung? Er dreht sich zu mir um.
„Deshalb hat mein Sohn das Kommando übernommen. Ich trete langsam ab. Aber ich werde erst helfen, deinen Sohn zu finden. Danach setze ich mich zur Ruhe“.
James Bond für Senioren. Na prima.
Ich bin erschöpft und will zu meinem Mann und meinen Kindern. Als hätte er meine Gedanken gelesen, steht er auf.
„Wir gehen“.
Er reicht mir die Hand und irgendwie stehen wir Minuten später wieder vor dem Schuppen.
Ich laufe zur Küche. Ich setze mich zu Wolfgang. Er umarmt mich. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und fühle mich hundeelend und verloren. Wie soll sich mein armer kleiner Sohn da fühlen? Alleine?
Ich weine wieder.
„Die Suche nach dem Eiswagen läuft auf Hochtouren, Madame. Sobald wir den Eigentümer geschnappt haben, bringen wir ihn ins Präsidium und werden ihn vernehmen. Das wird jetzt schnell gehen. Unsere und Jeans Leute sind unterwegs.“
Ich sehe ihn nur an. Ich kann nicht antworten.
Mir schwirrt der Kopf. Leroc packt seinen Minicomputer ein und steht auf. Der will doch wohl jetzt nicht gehen? Will der uns jetzt alleine lassen? Wir können doch nicht einfach nur hier herumsitzen und nichts tun!
„Was haben Sie jetzt vor?“ Ich kann nur flüstern.
„Keine Sorge, Madame, ich fahre jetzt ins Präsidium. Ich muss ein paar Dinge klären. Unsere Techniker und unsere Psychologin müssten jeden Moment hier sein. Wenn ich im Präsidium fertig bin, komme ich zurück. Wir lassen Sie jetzt nicht alleine. Und außerdem ist Jean hier.
Hier rollt auch eine Lawine von Helfern an.“
Er dreht sich um und verlässt die Küche. Minuten später hören wir seinen Wagen davon fahren.
Wolfgang sieht mich an. Leon liegt auf dem alten Sofa und schläft. Timo grunzt in seinem Buggy vor sich hin. Er schläft auch. Ich versenke meine Augen in Wolfgangs Blick.
‘Hilf mir‘, will ich sagen, aber ich sehe ihm an, dass er mich nicht versteht. Wie soll er denn auch? Ich verstehe ihn auch nicht. Und wieder kriecht das Gefühl in mir hoch. Warum hat er zugelassen, dass Maxi entführt wird?
Marie fordert mich mit dem Kopf auf, ihr ins Wohnzimmer zu folgen. Ich stehe auf und schleppe mich hinter ihr her. Vorsichtig setzen wir uns auf das Sofa, um Leon nicht zu wecken. Zwischen Wohnzimmer und Küche gibt es keine Wand und keine Tür, nur ein großer, breiter Bogen unterteilt die Räume optisch etwas. Daher kann ich sehen, dass Jean leise und eindringlich auf Wolfgang einredet. Mein Mann hört zu und nickt immer wieder mit dem Kopf. Ich will nicht, dass die beiden etwas aushecken, über das ich nicht Bescheid weiß. Als ich aufstehen will, hält Marie meinen Arm.
„Bleib“, sagt sie. „Ich muss dir etwas erzählen.“
Eigentlich habe ich keine Lust mehr auf Geschichten. Widerwillig bleibe ich sitzen. Ich streichele mit der Hand Leons Fuß und versuche, meinen Vorstellungen über Maxi nicht nachzugeben.
„Mmh, also, Monika. Maxi ist nicht das erste Kind, das hier in Le Guerno verschwindet.“ Sie macht eine Pause, um zu sehen, ob ich verstanden habe, was sie sagt.
Und wirklich. Gehört habe ich ihre Worte, aber deren Bedeutung ist irgendwie nicht oben angekommen.
„Hast du mich verstanden?“ fragt sie vorsichtig und nimmt meine Hand. Unter der Berührung zucke ich zusammen und tauche auf.
„Noch ein Kind ist verschwunden?“
Ich kann das nicht begreifen, was ich da frage.
„Von
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