Bist du mein Kind? (German Edition)
viel Jahren denn?
Jean verschwindet mit ihnen im Schuppen. Wolfgang blickt hinterher.
„Geh mit“, fordere ich ihn auf.
Er setzt sich ihn Bewegung. Ich sehe Marie an. So richtig weiß ich nicht, was ich tun soll.
„Geh mit deinen Kindern rüber. Spiel mit ihnen, mach ihnen Abendessen. Versuch, ein bisschen Normalität herzustellen“, rät sie mir.
Ich gehe zum Buggy und schiebe ihn Richtung Tür. Leon ist schon neben mir. Also gehen wir ‘rüber und spielen heile Welt.
Ich schiebe den Buggy durch die Tür der Scheune. Von innen stecke ich den Schlüssel ins Schloss. Und drehe ihn zwei Mal um. Mit Timo auf dem Arm gehe ich durch das ganze Haus und schließe alle Fenster fest zu.
Als ich meinen Rundgang beendet habe, sitzt Leon an Timos Spieldecke und dreht einen Ball hin und her. Ich lege Timo auf seine Decke und er fängt sofort an, nach dem Mobilé zu greifen.
Ganz nah kuschele ich mich an Leon.
„Na, was machst du?“ Er seufzt. „Mit dem Ball hat Maxi immer Timo gekitzelt. Ich nehme ihn mit in unser Zimmer und lege den auf sein Bett.“
Mir steigen die Tränen schon wieder hoch.
„Mach das, Liebling“.
Ich hänge meinen Gedanken nach. Was ist mit Maxi passiert? Sie sollen ihn in Ruhe lassen. Ihn einfach nur gut behandeln. Das Lösegeld werden wir schon zusammenkratzen. Und wenn ich für den Rest meines Lebens am Hungertuch nagen muss. Ich zahle für mein Kind.
So sitze ich da und versuche mit meinen Gedanken zu Maxi durch zu dringen. Als könnte ich ihm helfen.
Wie viel Zeit vergangen ist, weiß ich nicht. Es rüttelt an der Tür. Ich erhebe mich und schließe die Tür auf. Draußen stehen Jean, Wolfgang zwei Männer und eine Frau. Einer sagt: „Madame“ und schiebt sich an mir vorbei. Ich trete zur Seite und alle gehen an mir vorbei.
Warum finde ich bloß heute alle Leute unsympathisch? Die Frau, die ich als Polizeipsychologin einschätze, sieht dermaßen schlecht gelaunt aus, dass ich mir schwer vorstellen kann, ihre Hilfe anzunehmen.
Am Esstisch angekommen, packen die beiden Herren schwere silberne Koffer auf den selbigen.
Jetzt machen sie sogar Anstalten, sich vorzustellen.
Der offensichtlich Jüngere von beiden, ein etwas zerknautscht aussehender blonder Mann mit Bürstenhaarschnitt und randloser Brille, T-Shirt und Jeans, sieht mich an und spricht langsam überlegend zu mir: „Isch ‘eiße Victor Allard. Isch makke die Teschnik.“ Er spricht deutsch. Ich ergreife seine ausgestreckt Hand und stelle mich auf Französisch vor.
Der zweite Mann ist gestriegelt und geschniegelt, wie aus einem Modeheft gesprungen.
Dunkelblauer Anzug, hellblaues Hemd, dunkelblaue Schuhe, rosa Krawatte. Braune gegelte Haare. Auch er streckt mir seine Hand entgegen: „Simon Rivry“. Ein knappes Lächeln kann er sich abringen. Natürlich spricht er nicht deutsch. Wahrscheinlich ist Victor der fähigere, denke ich.
Und Madame? Madame de la Psychologie? Sagt nix. Beobachtet meine Kinder. Fünf Buchstaben schieben sich vor meine Augen. Fünf große Buchstaben: TUSSY.
Ich beobachte sie. Irgendwie scheint sie das zu merken. Sie dreht sich zu mir um. Aschblonde Haare. Streng zum Zopf nach hinten gebunden. Klein und schmal. Ohne Schminke. Ziemlich grässliche grüne Strickjacke. Verwaschene Jeans. Und, ich traue meinen Augen kaum, knallrote Highheels.
Ihre Augen mustern mich. Ist mir egal. Ich habe keine Lust auf Machtkämpfe und sehe weg.
In der Zwischenzeit haben Victor und Simon einige Apparate auf dem Küchentisch
ausgebreitet und mit vielen Kabeln miteinander verbunden.
„Wir brauchen Ihre Handys“.
Victor. Auf Französisch. Er zuckt entschuldigend die Schultern. „Französisch geht leichter“, lächelt er. Wolfgang angelt sein Handy aus der Jackentasche. Wo ist denn meins? Ich glaube, in meiner Handtasche. Richtig. Ich gebe es Victor. Irgendwie verbinden sie beide Telefone mit ihren Computern. Zwei Mikrofone stehen auf dem Tisch.
Ein Weiteres wird angeschlossen und mit einem roten Band versehen. Worum es geht, ist mir nicht klar. Egal. Die werden schon wissen, was sie tun.
Erschöpfung schleicht in meine Knochen. Und was viel schlimmer ist, in meine Seele. Ich spüre den heftigen Wunsch, mich einfach nur hinzulegen und zu schlafen. Aber das geht nicht. Zugleich habe ich das Gefühl, dass ich die Verbindung zu meinem Kind kappe, wenn ich einschlafe. Ich werde nicht schlafen. Ich werde ihn nicht verlassen. Ich werde jeden Moment wachen und wenigstens in meinen Gedanken versuchen, ihm zu
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