Bitte Einzelzimmer mit Bad
heute früh noch schnell mit Draht! Buona sera, Signorita.«
In der Halle des Lido wartete Brandt. Er hatte bereits sämtliche Illustrierte durchgeblättert, die Tageszeitungen der vergangenen Woche und La Cuccina Romagna, obwohl er sich im allgemeinen für Kochrezepte nicht interessierte, aber diese Lektüre war immer noch besser, als den neugierigen Blikken standzuhalten, mit denen ihn die Prozession hungriger Gäste auf dem Weg zum Speisesaal durchlöcherte. Alle paar Minuten sah er auf die Uhr. Diese Frankreich-Touren dehnten sich auch von Mal zu Mal länger aus, und wahrscheinlich würde Tina wieder viel zu müde sein, um mit ihm noch irgendwohin zu gehen. In letzter Zeit war sie überhaupt etwas zurückhaltend geworden, gar nicht mehr das entzückend naive Aschenbrödel, das weinend auf der Klippe gesessen und zum ersten Mal Langusten gegessen hatte. Übrigens recht geschickt, wie er festgestellt hatte, also kam sie doch aus einem guten Stall. Aber das hatte ihm ja schon Tante Josi bestätigt, gleich nach der Teestunde. Ein Edelstein sei Tina, hatte sie gesagt, vielleicht noch ein bißchen ungeschliffen, aber das würde sich bestimmt verlieren. Jedenfalls habe sie gegen die Wahl ihres Neffen nichts einzuwenden, zumal es an der Zeit sei, daß er endlich heirate. Schließlich sei er beinahe schon Doktor, und in leitender Position brauche er nun mal eine Frau, das sei so üblich. Schon aus gesellschaftlichen Gründen. Seine Schwester Tanja habe das auch gesagt, und die müsse es ja wissen. Nicht umsonst habe ihr Mann innerhalb von fünf Jahren diese Karriere gemacht. Tanja habe wesentlich dazu beigetragen und ihre repräsentativen Pflichten untadelig erfüllt. Aber Tanja war langweilig, Tina nicht. Und das hatte bei Brandt den Ausschlag gegeben. Beinahe wäre er ja auf diese attraktive und selbstsichere Lilo hereingefallen, aber dann hatte sie ihm erzählt, daß sie schon einmal verheiratet gewesen war, und eine geschiedene Frau hätte Tante Josi niemals akzeptiert. In dieser Hinsicht hatte die italienische Mentalität auf sie abgefärbt. Mit einer Geschiedenen amüsierte man sich höchstens eine Zeitlang, aber so etwas heiratete man nicht!
Als Tinchen endlich auf der Bildfläche erschien, war Brandt gerade bei der Überlegung angekommen, daß man es bei zwei Kindern belassen sollte, die tunlichst in einem Abstand von höchstens drei Jahren geboren werden müßten, denn ein noch größerer Altersunterschied würde sich bestimmt nachteilig auswirken. Seine Schwester war fünf Jahre älter als er und ihr Verhältnis auch heute noch alles andere als innig.
Er ignorierte die beiden traurigen Gestalten neben Tina und überreichte ihr mit strahlendem Lächeln den Rosenstrauß. Absichtlich hatte er blaßrosa Blüten gewählt, rote wären zu eindeutig gewesen.
»Du bist schon zurück?« Achtlos griff Tinchen nach den Blumen, während Brandt etwas irritiert die beiden Männer musterte, die so gar keine Anstalten machten, endlich zu verschwinden.
»Willste uns nicht mal bekannt machen?« forderte Karsten.
»Ach so, ja, natürlich. Das ist mein Bruder Karsten, und das ist sein Freund Florian Bender. Herr Brandt aus Hannover.«
»Sehr erfreut«, murmelte Brandt und war gar nicht erfreut. »Ich dachte … ich wußte nicht … Sind Sie hier auf Urlaub?«
»Ja, noch vierzehn Tage«, sagte Karsten.
»Höchstens noch eine Woche«, verbesserte Florian und wandte sich zum Fahrstuhl. »Komm mit, Knabe, merkst du nicht, daß wir stören?«
»Nö, wieso denn?«
Unschlüssig wanderte Tinchens Blick zwischen den beiden Kontrahenten hin und her. Vor ihr der wie aus dem Ei gepellte Brandt, hinten am Lift ein zerknautschter Florian mit Ziehharmonikahosen und verwelkter Petersilie im Knopfloch.
»Sei nicht böse, Klaus, aber ich bin hundemüde. – Die Fahrt und die Hitze … Können wir uns nicht morgen sehen?«
»Aber natürlich, Tina. An sich bin ich auch nur vorbeigekommen, weil ich in Verenzi etwas zu erledigen hatte und dir bei dieser Gelegenheit mein Mitbringsel geben wollte.« Er zog ein Päckchen aus der Tasche. »Nur eine Kleinigkeit. Du sollst wenigstens wissen, daß ich an dich gedacht und nichts vergessen habe.«
»Aber …«
»Ciao, Tina, schlaf gut! Ich rufe dich morgen an.« Schon war er verschwunden.
Wegen dieses Florian Bender ließ er sich keine grauen Haare wachsen. Der war nun wirklich kein Konkurrent für ihn!
Ursprünglich hatte Tinchen vorgehabt, das Geschenk ungeöffnet zurückzugeben, aber
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