Bitte Einzelzimmer mit Bad
kompliziert!
Im Lido lief der Betrieb auf vollen Touren. Eine ganze Besenbrigade war angerückt, die unter Schumanns Kommando den verstaubten Glaspavillon in einen Ballsaat verwandelte. Schon blitzten die Fensterscheiben, das Parkett wurde gewachst, damit die Gäste gepflegt darauf ausrutschen konnten, ein Podium wurde aufgeschlagen, gleichermaßen als Tribüne für das Orchester beziehungsweise als Empore für die künftige Miß Schmetterling gedacht, die ersten Lampions baumelten über der Tanzfläche – es sah alles sehr vielversprechend und ein bißchen kitschig aus. Zum Glück hatte Tinchen Schumann wenigstens das künstliche Weinlaub ausreden können, mit dem er die beiden Marmorpfeiler rechts und links vom Eingang umwickeln wollte.
Auch die Küchenbelegschaft rotierte. Schumann hatte in Alassio den ganzen Bestand an Sauerkrautkonserven aufgekauft – offenbar gab es entlang der Küste nur ein einziges Geschäft, das diese teutonische Delikatesse führte – und beschlossen, das kalte Buffet mit Sauerkohl und Würstchen anzureichern. Da diese als »Wiener« deklarierten rosa Plastikschläuche ebenfalls aus der Dose stammten, versuchte er, eine Marinade zu komponieren, in der die Würstchen 24 Stunden lang ruhen und ihren Geschmack verbessern sollten. Das taten sie auch. Nach ihrem Bad schmeckten sie leicht säuerlich und kompensierten dadurch das etwas süßlich geratene Sauerkraut, wurden dennoch ein Erfolg und künftig auf der Speisekarte unter der Rubrik ›Kalte Speisen‹ und dort wiederum als ›Spezialität des Hauses‹ geführt.
Das Problem, mit welchem Geschenk die erste Miß Butterfly geehrt und gleichzeitig dauerhaft an den Initiator dieser Wahl, nämlich das Unternehmen Schmetterlings-Reisen, erinnert werden sollte, war in der Zwischenzeit auch gelöst worden. Zu einem gar nicht angemessenen Preis, hinter dem Tinchen ein erhebliches Entgegenkommen seitens Tante Josis vermutete, hatte sie eine kleine, mit Saphirsplittern besetzte Anstecknadel in Schmetterlingsform gekauft. Die zweite Preisträgerin sollte einen silbernen Armreif bekommen, und für die dritte hatte Tante Josi einen Seidenschal gestiftet unter der Bedingung, daß er mit dem noch extra angebrachten Firmenschild überreicht wurde. Edel sei der Mensch, hilfreich und nicht ganz selbstlos!
Karsten bastelte an der Krone. Nach dem vierten mißlungenen Versuch kapitulierte er und beschloß, seine Niederlage nur insofern einzugestehen, als er das unerläßliche Attribut königlicher Würde von seinem eigenen Geld kaufen würde. Zu seinem Erstaunen gab es in ganz Verenzi kein Geschäft für Faschingsartikel, was ihn in seinem Urteil bestärkte, daß Italien in mancher Hinsicht doch ein ziemlich rückständiges Land sei. Trotzdem gab er nicht auf. In einem Laden, der neben Nachthemden und Unterwäsche auch drei Brautkleider auf Lager hatte und zwischen Weihnachten und Ostern sogar eine bescheidene Auswahl an Kommunionskleidern führte – wer es sich leisten konnte, kleidete seine Kinder ja doch in Mailand oder zumindest in Genua ein –, wurde er schließlich fündig. Mit Händen und Füßen erklärte er seinen Wunsch, worauf ihm die Verkäuferin zunächst einen Tüllschleier und auf seinen verzweifelten Ruf: »Etwas mit fiori dran!« ein Gesteck aus imitierten Orangenblüten auf den Ladentisch legte. Erst als er mimisch um Papier und Bleistift bat, weil er sich von seiner künstlerischen Ausdruckskraft mehr versprach als von seiner rhetorischen, kam man einer Verständigung etwas näher. Mit ein paar Strichen skizzierte er eine Art Diadem. Die Signorina nickte erfreut, verschwand durch einen Vorhang und erschien nach längerer Zeit wieder mit einer Schachtel. Zwischen vergilbtem Seidenpapier lag das Gesuchte: Kopfschmuck für Kommunikantinnen.
Karsten wählte eine Kreation, die nach dem Entfernen der störenden Dekoration aus künstlicher Myrthe und gelackten Gänseblümchen zumindest die äußere Form eines königlichen Diadems hatte und mit Hilfe von Goldfolie auch den majestätischen Glanz erhalten könnte. Widerspruchslos zahlte er den verlangten Preis in der Absicht, ihn von Tinchen zurückzufordern. Schließlich braucht jeder Künstler Material, um seine Werke zu schaffen. Auch ein Leonardo da Vinci ist nicht ohne Leinwand ausgekommen!
»Er hat aber bestimmt nicht seine Verwandtschaft beklaut!« wetterte Tinchen, als sie später an der goldpapierumwickelten Krone ihre Straßkette wiederfand.
»Das Ding hast du doch nie
Weitere Kostenlose Bücher