Bitte Einzelzimmer mit Bad
das Meer, ein leichter Wind blähte die Vorhänge, streifte über den Frisiertisch und raschelte mit den Seiten des aufgeschlagenen Wörterbuchs.
Pferdebremsen! dachte sie erschrocken, sprang aus dem Bett und schloß das Fenster. Wer weiß, ob die Viecher nicht schon im Anmarsch waren! Sie warf einen Blick auf den Reisewecker: Kurz nach halb sieben, also höchste Eisenbahn, wenn sie pünktlich sein wollte.
Die Dusche röhrte und gluckerte, spendete aber nach unangemessen langer Zeit doch noch lauwarme Tröpfchen. Wenn es hier unten erst mal richtig warm ist, braucht man sowieso kein heißes Wasser, tröstete sich Tinchen, und überhaupt soll man am besten kalt duschen, das ist viel gesünder. Zähneklappernd trocknete sie sich ab, schlüpfte in den Bademantel und öffnete den Kleiderschrank. Was sollte sie an ihrem ersten Arbeitstag bloß anziehen? Gäste wurden noch nicht erwartet, also mußte es nicht unbedingt etwas Seriöses sein. Den Hosenanzug? Entschieden zu elegant für die geplante Runde bei den einzelnen Hoteliers. Waren Hosen überhaupt angebracht? Später vielleicht, nicht gleich beim ersten Mal! Sie entschied sich für ein hellblaues Sommerkleid, auch wenn sie darin ein bißchen fröstelte. Quatsch, Ernestine, du bist im Süden, und hier fängt der Sommer schon im Frühling an. Du mußt bloß daran glauben!
Im Speisesaal hockten drei Frühaufsteher wie eingerollte Farnwedel über ihren Kaffeetassen. Harbrecht war noch nicht da. Tinchen wählte einen Tisch neben einem der drei großen Fenster und setzte sich. Nach fünf Minuten wurde sie ungeduldig. Kam denn hier niemand? Die anderen Gäste hatten doch auch schon gefrühstückt. Oder war etwa Selbstbedienung üblich, und wenn ja, wo denn nur? Ein entsprechend bestücktes Buffet war jedenfalls nirgends aufgebaut. Ob sie mal den Herrn am Nebentisch fragen sollte? Lieber nicht, der las in einer italienischen Zeitung und sah nicht so aus, als ob er so früh am Morgen an einer vermutlich sehr anstrengenden, zweisprachigen Konversation interessiert wäre. Mehr denn je zweifelte Tinchen an ihren Sprachkenntnissen; hatte sie doch noch gestern abend einen Wortwechsel zwischen Franca und einem anderen Zimmermädchen mitgehört, ohne auch nur den Grund dieser temperamentvollen Auseinandersetzung zu erraten.
Endlich kam Harbrecht, offensichtlich schon im Reiseanzug, denn er trug Strümpfe und eine Krawatte, Dinge also, die er noch vor zwölf Stunden als entbehrlich bezeichnet hatte.
»Guten Morgen, Tina. Hat Sie der Arbeitseifer aus dem Bett getrieben oder das gräßliche Weib, das seit dem Morgengrauen im zweiten Stock herumräsoniert?«
»Ich habe nichts gehört.«
»Dann seien Sie froh. Das ist eine von denen, die die Redefreiheit nicht als Recht ansehen, sondern als ständige Verpflichtung!« Er ließ sich in einen Stuhl fallen und warf einen erstaunten Blick auf den leeren Tisch. »Haben Sie bereits gefrühstückt?«
»Schön wär’s!«
»Ja, um Himmels willen, wie lange sitzen Sie denn schon hier?«
»Seit zehn Minuten.«
»Verdammte Schlamperei! Jedesmal, wenn Giovanna Frühdienst hat, gibt’s Ärger! Am besten kommen Sie gleich mal mit!«
Er stand auf und zog Tinchen an der Hand hinter sich her. Sie durchquerten den Speisesaal und betraten die dahinterliegende Küche. Bis auf ein paar Fliegen, die um einen Marmeladeneimer kreisten, war sie leer. Auf dem Herd stand ein großer Aluminiumtopf, in dem eine undefinierbare dunkle Flüssigkeit brodelte.
»Was ist denn
das?
«
»Ihr Kaffee!« sagte Harbrecht trocken.
»Meinen Sie das im Ernst?«
»Selbstverständlich! Der ausgelaugte Extrakt von der Espressomaschine wird gesammelt, mit entsprechend viel Wasser aufgefüllt und am nächsten Morgen gründlich durchgekocht. Anschließend gießt man das Zeug durchs Sieb und serviert es. Das ist eben die italienische Variante von deutschem Kaffee. Nennenswerte Beschwerden hat es noch nicht gegeben, aber manche Gäste lassen sich zusätzlich heißes Wasser bringen, weil ihnen das Gebräu angeblich zu stark ist.«
Tinchen schüttelte sich. »Ihr Glück, sonst hätten Sie doch laufend Todesfälle wegen akuter Coffeinvergiftung! Was sagt denn Herr Schumann dazu? Ich denke, er ist Deutscher?«
»Ist er ja auch, aber er trinkt keinen Kaffee.«
»Durchaus begreiflich. Muß ich diese Brühe auch nehmen, oder kann ich Tee haben?«
»Da er auf ähnliche Weise hergestellt wird wie der sogenannte Kaffee, rate ich Ihnen davon ab. Machen Sie es wie ich: Kaufen Sie
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