Bitte Einzelzimmer mit Bad
über den Bergen zusammen. Tinchen ließ sich fröstelnd in Tante Josis Wolljacke wickeln, die der vorausschauende Brandt mitgebracht hatte. »Hat es im Paradies eigentlich auch geregnet? Oder fliegen wir jetzt bloß gewaltsam da raus?«
»Keine Ahnung! Aber eins weiß ich sicher: Wenn wir nicht gleich verschwinden, kommen wir heute nicht mehr nach Hause. Ein Gewitterregen verwandelt diese jämmerliche Zufahrtsstraße in eine Schlammwüste.«
Die ersten Regentropfen klatschten auf die Steine, als sie den Wagen erreicht hatten. Es war der letzte, die anderen Autos waren schon alle weg.
»Statt nach unten hätten wir lieber mal nach oben sehen sollen!« schimpfte Brandt und deutete auf den pechschwarzen Himmel, aus dem jetzt eine wahre Sturzflut herunterkam. »Mein Steuermannspatent kriege ich nämlich erst im nächsten Jahr.«
Später hätte Tinchen nicht sagen können, wie sie den Berg heruntergekommen waren. Sie hatte die Augen fest geschlossen gehalten und sich krampfhaft am Sitz festgeklammert, während Brandt im Schneckentempo die Serpentinen heruntergerollt war. Zweimal hatte er hörbar die Luft eingesogen, weil der Wagen seitlich wegrutschte, und Tinchen hatte sich überlegt, daß ihr Leben zwar kurz und nicht besonders ereignisreich, aber zumindest in den letzten Stunden doch sehr schön gewesen war.
Unten an der Küste tobte sich das Gewitter erst richtig aus. Peitschenknallende Blitze schossen durch die Luft, unmittelbar darauf krachten Donnerschläge, und der Wagen wischte sich unermüdlich den Regen aus den Augen. Die Straßen waren menschenleer. Auf der Promenade trieften ein paar vergessene Sonnenschirme; auf einem hing sogar ein hinaufgewehtes Tischtuch. Das Meer war beinahe schwarz. Schwere Brecher wälzten sich gischtsprühend über den Strand und klatschten an die Mauer.
Wie es jetzt wohl auf unserer Klippe aussieht? Die Hosen dürften endgültig weg sein, selbst wenn sie sich vorher doch noch irgendwo verklemmt hatten. »Aber das Taschentuch habe ich noch!« sagte Tinchen laut, zog ein zerknülltes Stück Stoff aus der Tasche und hielt es Brandt entgegen. Dann steckte sie es doch schnell wieder ein. »Ich werde es wohl besser erst waschen.«
»Du kannst es ruhig behalten«, sagte er gleichgültig.
Im Lido brannte kein Licht. Paolo, der Nachtportier, steckte den Kopf aus der Tür, beäugte im Schein eines Kerzenstummels die Ankömmlinge und murmelte ein unwilliges »Buona sera«, als er Tinchen erkannte. Anschließend verkroch er sich wieder. Genau wie eine Schildkröte, ging es Tinchen durch den Kopf.
»Willst du nicht aussteigen?«
Sie zuckte zusammen. »Doch, natürlich.« Zögernd angelte sie ihre Tüte vom Rücksitz. War das nun alles? Kein zärtliches »Auf Wiedersehen, Aschenbrödel«, kein Abschiedskuß, kein »Es war schön mit dir«? Sie war maßlos enttäuscht. Er hatte ja nicht einmal so viel Anstand, auszusteigen und ihr aus dem Wagen zu helfen. Allerdings mußte ihr Gerechtigkeitssinn zugeben, daß Höflichkeit auch ihre Grenzen haben konnte – zumindest bei einem Platzregen.
»Das Geld! Ich habe ja das Geld vergessen!« Ein Glück, daß ihr das noch rechtzeitig genug eingefallen war! Immerhin eine kleine Galgenfrist. »Warte einen Moment, ich hole es schnell. Oder möchtest du nicht lieber für einen Augenblick hereinkommen?«
»Weder noch! Das eilt nun wirklich nicht so! Ich rufe dich an, Tina. Und jetzt mach, daß du ins Haus kommst, sonst holst du dir noch nasse Füße!«
Er zog die Wagentür ins Schloß und brauste ab.
Dumme Tine, was hast du dir eigentlich eingebildet? Liebe auf den ersten, oder nein, auf den dritten Blick? Das hast du nun davon! Der Prinz ist weg, das Märchen aus! Vorzeitig beendet von einem simplen Gewitterregen. Hatschi!
Langsam schlurfte sie zur Tür. Sie hätte doch lieber das Karmeliterkloster besichtigen sollen!
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Kapitel 10
A uch der Bahnhof von Verenzi wies jene architektonische Absonderlichkeit auf, die fast allen Bahnhöfen vorbehalten ist: Wo immer man sich außerhalb des Stationsgebäudes aufhielt, zog es! Ob vor oder neben dem Eingang, ob auf den beiden Bänken oder im Windschatten des Kaugummiautomaten, ob hinter den Blumenkübeln oder an der Telefonzelle, war egal – es zog! Selbst im Hochsommer, wenn kaum ein Lüftchen wehte und man jeden Windhauch als willkommene Kühlung begrüßte, rieb jeder fröstelnd die Arme und wickelte sich in eine Jacke, sobald er den Bahnsteig betrat. Den besten Schutz boten noch die beiden
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