Bitte Einzelzimmer mit Bad
Arsenal von Bestecken aufgebaut, deren Zweck ihr völlig unklar war. Eine große Platte kam auf den Tisch, die Kupferhaube wurde abgenommen, und da lagen sie, die gräßlichen Viecher mit den großen schwarzen Knopfaugen und den endlos langen Fühlern. Schön sahen sie nicht aus in ihrem Bett aus Dekorationsgemüse, aber wenigstens friedlich! Wie rückte man den Biestern jetzt zu Leibe?
Ihr Gegenüber beobachtete sie schmunzelnd und wartete. Tinchen wartete ebenfalls. Desgleichen die Langusten. »Nun fang doch endlich an! Ich denke, du ißt sie so gern!« Tinchen wurde kleinlaut. »Aber bloß in entkleidetem Zustand. Ich dachte immer, das Ausziehen sei euch Männern vorbehalten!«
»Aschenbrödel, du wirst frivol!« Geschickt zerteilte er eine Languste und legte die eßbaren Teile auf Tinchens Teller.
»Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen!« rezitierte sie und hantierte noch etwas unbeholfen mit der zweizinkigen Gabel. »Ich wußte gar nicht, daß das so wörtlich gemeint war!«
Die Teller wurden abgeräumt, neue kamen, und Tinchen futterte sich zufrieden durch das Menü. Der Parmaschinken war exzellent, die piccioni entpuppten sich als ganz ordinäre Tauben, schmeckten aber trotzdem, das Kalbsschnitzel war zart und der Käse unbekannt und rosarot, worauf Tinchen beschloß, endlich satt zu sein.
Belustigt hatte Brandt verfolgt, wie seine Begleiterin eine Platte nach der anderen leerte. »Allmählich begreife ich, weshalb Pauschalreisen immer teurer werden!«
»Sie vergessen meinen Nachholbedarf!«
»Willst du nicht endlich mit diesem albernen Sie aufhören, Aschenbrödel? Oder kennst du ein Märchen, in dem der Prinz seine Prinzessin siezt?«
Bisher hatte Tinchen eine direkte Anrede nach Möglichkeit vermieden, aber nun war ihr das Sie doch wieder herausgerutscht. Weshalb nur konnte sie nicht zu dem burschikos-kameradschaftlichen Umgangston finden; der ihr doch in der Redaktion nie schwergefallen war?
Gleich am ersten Tag hatte sie Florian geduzt, und zwar nicht nur, weil »das hier so üblich« ist, wie er ihr versichert hatte. Schon wieder Florian!
Brandt goß neuen Wein in die Gläser und stieß mit ihr an. »Ich heiße Klaus und bei den Eingeborenen Claudio. Du kannst dir also das Passende heraussuchen.«
Tinchen schwieg und wartete auf den obligatorischen Kuß. Sie wurde enttäuscht. Brandt rückte lediglich seinen Stuhl neben den ihren und legte seinen Arm um ihre Schultern. »Siehst du, Aschenbrödel, ich habe dir die ganze Welt zu Füßen gelegt.« Er deutete auf die Lichterpünktchen, die aus der Tiefe heraufschimmerten. In der Ferne jammerte der Neun-Uhr-Zug durch das Tal, verschwand in einem der zahllosen Tunnel, tauchte leuchtend wie eine Bernsteinkette auf und wurde vom nächsten Tunnel wieder verschluckt.
Wie zufällig lehnte sie den Kopf an seine Schulter. »Danke.«
Er rührte sich nicht, und sie wagte kaum zu atmen aus Angst, die schweigende Vertrautheit zu stören.
Plötzlich stand er auf. »Entschuldige mich bitte einen Moment, bin gleich wieder da.«
Wie lange ist gleich? Nach zehn Minuten wurde Tinchen unruhig. Ein Mann, der bekanntlich weder frischen Lidschatten auftragen noch sich die Nase pudern muß, kann doch keine Ewigkeit auf der Toilette verbringen! Selbst wenn er, hm, an Verdauungsbeschwerden leiden sollte! Was, wenn er nun doch einen zweifelhaften Charakter hatte und sie einfach hier sitzenließ? Mit der unbezahlten Rechnung und 325 Lire. Damit wäre in diesem feudalen Kasten ja nicht einmal die Klofrau zufrieden! Nervös schielte sie zur Tür. Der dort postierte Kellner guckte schon reichlich komisch. Na also, nun kam er auch noch geradewegs auf sie zu. So etwas Ähnliches hatte sie erwartet.
»Posso versar Le ancora un bicchiere?«
»Wie bitte? Ach so, ja, si, grazie.« Nun war schon alles egal! Wenn sie sowieso als Zechprellerin verhaftet werden würde, konnte sie wenigstens den Wein austrinken. In einem Zug leerte sie das Glas. Hoppla, warum schaukelte der Mond jetzt wie eine Papierlaterne? Sie kniff die Augen zusammen und machte sie ganz langsam wieder auf. Na bitte, nun stand er wieder still. Statt dessen bewegte sich das Windlicht auf dem Tisch. Immer näher kam es, und hinter ihm ragte ein bedrohlicher Schatten auf …
»Wir müssen gehen, Tina, da hinten zieht ein Gewitter auf. Vorsichtshalber habe ich schön den Wagen zugemacht. Mit offenem Verdeck dürfte es gleich sehr ungemütlich werden!«
Wolken, dick wie Klöße, ballten sich
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