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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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erzählten. Sie erzählten es mir in einem Augenblick der Trauer über einen persönlichen Verlust, den Sie erlitten hatten, und Sie versuchten, an schlimmere Dinge zu denken, die Sie erlebt hatten. Es geht um die Zeit, als Sie mit der Armee in Italien waren, bevor Sie dann weiter oben im Norden Carlo begegneten. Sie erinnerten sich daran, einen Soldaten gesehen zu haben, einen der Ihrem persönlichen Kommando unterstellten Männer, der loslief, um einen Befehl auszuführen, den Sie ihm gegeben hatten. Und Bruchteile von Sekunden später war er dann auf eine Mine getreten – eine Tellermine, sagten Sie – und säuberlich mittendurch gerissen worden.«
    Eine 3-Klopfzeichen-Pause.
    »Wie weit war er von Ihnen weg? Nur wenige Meter, war’s nicht so? Nah genug für Sie, um ein paar Tage lang taub zu sein, ich weiß, und nahe genug für Sie, um zu sehen, wie seine Gedärme sich im Freien ausnahmen, während sein erstaunter Blick zeigte, daß er noch gar nicht begriffen hatte, was mit ihm passiert war. Dabei blieb ihm mit all diesen durchtrennten Arterien weniger als eine Minute zum Sterben. Aber das eigentlich Schreckliche für Sie – abgesehen davon, daß Sie dem Mann befohlen hatten, etwas zu tun, was ihn das Leben kostete – kam erst hinterher, stimmt’s? Ich meine nach dem ersten physischen Schock, als Ihnen klar wurde, daß überall um Sie herum, während Sie noch lebten, der Tod war. Als Sie mit all dem Sausen in den Ohren dort standen und wußten, daß Sie in ein Minenfeld geraten waren und, wenn Sie sich bloß um den Bruchteil eines Zentimeters vor oder zurück, nach rechts oder links bewegten oder auch nur das Schwergewicht Ihres Körpers vom einen auf den anderen Fuß verlagerten, auch Ihre Gedärme dort auf dem Erdboden herumschwabbeln könnten. Also taten Sie, was auch andere zuweilen getan haben, wenn sie feststellten, daß sie in ein Minenfeld geraten waren, und gesehen hatten, wie eine Mine den weichen menschlichen Körper zurichten kann. Keine Schande, nicht, wenn man sich in einem Schockzustand befindet und das Ergebnis einer falschen Bewegung so anschaulich vor Augen hat. Mancher andere hätte kehrtgemacht und wäre blindlings davongerannt. Sie nicht. Sie erstarrten. Und dort blieben Sie erstarrt, bis jemand von einer Pionierpatrouille aufkreuzte. Wissen Sie noch? Es war ein Sergeant. Er nahm Sie bei der Hand und redete Ihnen gut zu, und schließlich brachte er Ihnen das Gehen wieder bei. Es war ein Gehen Schritt für Schritt, viel langsamer als ein Trauermarsch, sagten Sie, links und rechts und links und rechts, bis Sie beide eine Stelle erreichten, wo Panzer gefahren waren. Die Kettenspuren waren frisch, also wußten Sie von da an, wohin Sie Ihre Füße setzen konnten, ohne daß sie von Tellerminen zerfetzt wurden. Sie gingen auf der Panzerspur zurück. Hören Sie mir zu, Paul?«
    »Ja.«
    »Sie haben mich um meinen Rat gefragt. Sie brauchen ihn nicht. Sie wissen schon selber, was Sie tun müssen. Sie sind in einem Minenfeld. Erstarren Sie. Rühren Sie sich nicht vom Fleck. Und bleiben Sie erstarrt, bis ich die Dinge ausgebügelt und die Gefahren abgewendet habe und Sie ohne Risiko davongehen können. Werden Sie das für mich tun, Paul?«
    »Ja, Mat.«
    Es hätte einer beträchtlichen Anstrengung meinerseits bedurft, irgend etwas anderes zu sagen.
    Ganz abgesehen davon wäre es töricht gewesen, irgend etwas anderes zu sagen. Es war besser, ihn in dem Glauben zu lassen, daß der Zauber wirke; oder, um mich des Jargons zu bedienen, den er jetzt vermutlich vorzieht, daß ich korrekt programmiert sei.
    »Ich werde zur Stelle sein, um Sie bei der Hand zu nehmen«, sagte er.
    Gleich darauf war die Leitung tot.

    Grüne, orange und rote Leuchtkugeln glühten und flimmerten am Himmel.
    Von meinem Schlafzimmer aus hatte ich einen guten Überblick über die Bucht, und ich hatte mir Yves’ Feldstecher vom Dachboden geholt. Ich nahm die Motorjacht näher in Augenschein.
    Die Deckbeleuchtung war jetzt größtenteils ausgeschaltet, wie um das Feuerwerk besser zur Geltung kommen zu lassen; aber mehrere Römische Kerzen strahlten zugleich auf, und einige der orangefarben glühenden Bälle brannten länger als die anderen auf ihrem Weg ins Wasser. Ich bekam eine ganze Menge von der Jacht zu sehen.
    Das Heck gab ihren Namen mit Chanteuse an, und ihr Heimathafen war Monrovia. Sie hatte liberianische Kennzeichen. Im Herbst würde sie inmitten Dutzender anderer Boote ihresgleichen im Jachthafen von Cannes

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