Bitte keine Rosen mehr
schuldig gemacht hätten? Diese Identifizierungsparade nach der Trauerfeier klingt mir nicht nach einer sonderlich guten Idee der Polizei. Warum hat sie ihren ursprünglichen Plan nicht ausgeführt und Oberholzer in der Wohnung dingfest gemacht? Dann hätte er nicht ausbüxen können, jedenfalls nicht in der Weise, wie er es tat. Und welche Idee soll dahintergesteckt haben, ihm diese Klarsichtmappen mit den Codenamen auszuhändigen? Das ergibt überhaupt keinen Sinn.«
»Oh, doch, das tut es, junge Frau.« Krom kicherte.
»Und wie es so geht, ist der Sinn, den das ergibt, mit der Antwort auf Ihre Frage nach der Rolle Frau Kramers in der Affäre verknüpft.«
Ich lauschte gespannt auf den nächsten Leckerbissen, weil ich auf die Antworten genauso erpicht war wie Dr. Henson, wenn nicht noch mehr; dieselben Fragen hatten mich damals und seither wiederholt beschäftigt.
»Frau Kramer«, fuhr Krom fort, »kann, denke ich, ihren Mann nie sehr glücklich gemacht haben. Sie war eine dieser Frauen, die sich, im selben Augenblick, da sie sich beklagen, daß ihre Männer nicht höher und rascher auf der Erfolgsleiter aufsteigen, an ihre Rockschöße klammern, um so den Aufstieg zu erschweren und vielleicht überhaupt unmöglich zu machen. Sie sind gewissermaßen moralische Saboteure. Konkret gesprochen, Kramer hatte wie so viele Männer in großen Organisationen seine naturbedingte Grenze maximaler Verwirklichung erreicht, ohne zu begreifen, warum er nicht weiter aufsteigen würde, geschweige denn seine eigenen Grenzen zu erkennen und sich mit ihnen abzurinden. In seiner Weigerung, sich abzurinden, wurde er von seiner Frau bestärkt. Aber als Oberholzer an ihn herantrat, lagen die Dinge zweifellos anders. Ehrgeizige Frauen vom Typ der Frau Kramer haben oft einen kräftigen Hang zur Selbstgerechtigkeit. Sie halten die Zwecke für erstrebenswert, lehnen aber die Mittel ab. Oder vielmehr, sie wollen mit den Mitteln nichts zu schaffen haben.«
»Als würde Lady Macbeth sagen, sie wolle von nichts wissen«, bemerkte Connell.
»Pardon?« Es herrschte ein kurzes Schweigen, während Krom mit der Anspielung zu Rande zu kommen versuchte. »Nun, ja, vielleicht. Aber ich bin sicher, Frau Kramer hat von dem Oberholzer-Arrangement gewußt. Es ist nur niemals offen diskutiert worden, so daß sie, mit der Hand auf dem Herzen, sagen konnte, man habe ihr nie etwas davon gesagt.«
»Daher auch ihre und ihrer Tochter Abneigung gegen Oberholzer«, kommentierte Henson.
»Die Haltung der Tochter war weit mehr von den ungünstigen Auswirkungen bestimmt, die ein krimineller Skandal auf ihre Ehe und ihr gesellschaftliches Ansehen gehabt hätte. Nach Kramers zweitem Herzanfall im Hospital und als ihr klargeworden war, daß er einen dritten schwerlich überleben würde, galt Frau Kramers Hauptsorge dem Geld, das ihr Mann angehäuft hatte. Alles, was sie wissen wollte, war, ob sie es würde erben dürfen oder nicht. Natürlich hatte die Polizei es nicht eilig, sie darüber aufzuklären. Andererseits konnte Frau Kramer keine Fragen nach dem Privatvermögen ihres Mannes stellen, ohne damit einzugestehen, daß sie an der Verschleierung der kriminellen Handlungen, die es hatten entstehen lassen, beteiligt gewesen war. Die Tochter wäre vermutlich bereit gewesen, auf das Geld zu verzichten, oder doch jedenfalls auf die Aussicht darauf. Die Mutter hätte das nie über sich gebracht.«
»Hatten sie denn keinen Rechtsanwalt, der sie hätte beraten können?« wollte Connell wissen.
»Natürlich. Aber was nützt ein redlicher Anwalt, wenn man einen unredlichen braucht? Nein, sie entschied sich statt dessen dafür, mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Diese war zwar dankbar dafür, blieb jedoch eisern korrekt und unterließ es, sich ihre Dankbarkeit auch nur einen Moment lang anmerken zu lassen.«
»Waren Sie bei den ersten Kramer-Vernehmungen dabei?« fragte Connell. »Ich meine, bevor er den Herzanfall bekam.«
»Aber nein. Das wäre ganz regelwidrig gewesen. Aber ich bin auf dem laufenden gehalten worden. Ich war außerdem zugegen, als die Entscheidung getroffen wurde, Kramers verschlüsseltes Telegramm abzusenden, in der Hoffnung, es würde Oberholzer, seinen Schatzmeister, herbeilocken. Wie wir wissen, tat es das.«
Dr. Henson schnaubte verächtlich. »Selbst eine so dumme Person wie Frau Kramer muß gewußt haben, daß die Polizei- und Gerichtsbehörden keinen Toten hätten belangen und verurteilen können. Wenn er Gelder der Bank veruntreut hätte
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