Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
bleischweren Klamotten verschlingen. Mit kalten, steifen Fingern öffnete sie den Gürtel ihrer Jeans und zog sie aus. Deutlich leichter erreichte Linda die Höhlenöffnung nun viel schneller, aber trotzdem nicht rechtzeitig, bevor die Öffnung unter der Wasseroberfläche verschwunden war.
Linda wusste, dass der Felsen in der Höhle etwas höher war und Trevor gerade noch im Trockenen sitzen würde, und so holte sie tief Luft, tauchte und hoffte, mehr oder weniger blind die Öffnung zu finden.
Sie hatte Glück.
Tatsächlich tauchte sie in der Höhle wieder auf. Und der völlig verzweifelte Trevor ersparte ihr den Kraftakt, ihn ins Wasser zu ziehen, indem er sich ihr förmlich in die Arme warf.
Seine Miene, als er ins kalte Wasser platschte, brachte Linda trotz aller Dramatik zum Lachen.
»Gut, Trevor«, keuchte sie und packte ihn an dem Geschirr, das er statt eines Halsbandes trug, weil er immer so an der Leine zerrte. »Alle Hunde können schwimmen, ja? Also wirst du es jetzt lernen. Wir beiden werden hier herauskommen, ja? Verstanden? Wir müssen jetzt los. Hol tief Luft, wir müssen tauchen.«
Sie packte den ängstlichen Hund, drückte ihn unter Wasser und tauchte selbst abermals unter.
Als sie das nächste Mal Luft schnappte, waren sie tatsächlich aus der Höhle heraus. Linda hielt Trevor immer noch am Geschirr fest, und das war auch gut so, denn der Hund strampelte so heftig im Wasser, dass er wie ein Aufziehspielzeug in der Badewanne ständig im Kreis geschwommen wäre, wenn sie ihn losgelassen hätte.
Völlig außer sich vor Freude und Erleichterung darüber, der muffigen Höhenluft entkommen zu sein und die Lungen wieder mit sauerstoffreicher Meeresluft füllen zu können, vor lauter Glück darüber, am Strand in gar nicht so weiter Ferne Lichter zu sehen, zog Linda den Hund an sich heran und knutschte seine nasse Schnauze.
»Siehst du, geht doch! Du kannst schwimmen«, redete sie ihm zu, während sie sich weiter über Wasser hielt. »Jetzt wird alles gut, Trevor, alles wird gut ...«
Sie hatte nicht bemerkt, dass eine ziemlich massive Welle heranrollte. Die brach sich genau über ihnen, sodass das letzte »gut« buchstäblich unterging.
Während sie unter Wasser herumgewirbelt wurde, kam sie sich vor wie in einer riesigen Waschmaschine. Um sie herum stiegen Bläschen auf, während sie selbst keine Luft mehr in den Lungen hatte und fürchtete, jetzt würde es für immer dunkel um sie werden. Doch genau so schnell, wie das Meer sie verschluckt hatte, spuckte es sie auch wieder aus. Sie keuchte und japste. Und hatte Trevor verloren.
Panisch sah sie sich um. Im gleichen Moment stellte sie erleichtert fest, dass auch der Hund wieder aufgetaucht war – nur um im nächsten Moment zu begreifen, dass er in die Strömung geraten war, die ihn nicht näher zum Strand brachte, sondern zum dunklen Meer hinauszog.
Vom Strand her hört Linda das Rufen mehrerer Stimmen, immer wieder rief man ihren Namen, doch sie hörte nicht hin, sondern kraulte wild entschlossen hinter dem jungen Hund her.
Trevor strampelte panisch um sein Leben, doch die See spielte ein grausames Spiel mit ihm. Schob ihn fast in Lindas Reichweite, nur um ihn dann sofort wieder wegzuziehen, und das so oft, dass er schnell den Kampfgeist verlor. Und auch Linda kam bald nicht mehr gegen den Frust und die Erschöpfung an.
Sie entfernten sich immer mehr vom Festland.
Eine weitere Welle begrub Trevor unter sich wie eine Stoffpuppe.
Linda sah sich nach ihm um, schrie nach ihm. Trevor tauchte wieder auf und unternahm schwache Versuche, auf sie zuzuschwimmen.
Sie sah ihm an, dass er es nicht noch einmal schaffen würde, wieder an die Oberfläche zu kommen.
Und dann kam die nächste Welle.
Linda mobilisierte ihre letzten Kraftreserven, tauchte dem untergehenden Hund hinterher, bekam wie durch ein Wunder sein Geschirr zu fassen und schaffte es, den Hundekopf über Wasser zu ziehen, bevor sie selbst wieder unterging.
Da spürte sie eine kräftige Hand an ihrem Arm. Jemand zog sie nach oben, packte sie und den Hund und schleppte sie kraftvoll zum Ufer.
– 35 –
Er ließ sie nicht mehr los.
In einem Akt der Verzweiflung hatte er sie unter Wasser gepackt, hochgezogen und hustend und prustend ins Schlepptau genommen. Er hatte sie zum Strand getragen, jede Hilfe ablehnend, und sich mit ihr hingesetzt. Hatte die Arme fest um sie geschlungen, ihr Wärme und Kraft gespendet, bis sie aufgehört hatte zu zittern. Hatte ihre Hand gehalten, als alle
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