Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
hierlassen.«
»Das brauchst du auch gar nicht. Er kommt mit uns mit.«
»Aber er kann nicht schwimmen.«
»Alle Hunde können schwimmen, Sydney, schon von Geburt an. Pass auf, wenn wir ins Wasser gehen, kommt er hinterher.«
Doch dieses Mal täuschte Linda sich. Als sie und Sydney ins Wasser glitten, fing Trevor an, winselnd auf dem kleinen Felsen hin und her zu laufen. Er ließ sich nicht überreden, zu ihnen ins Wasser zu kommen.
Was sollte sie bloß tun? Sie konnte nicht den Jungen und den Hund abschleppen. Das Wasser stieg unaufhaltsam weiter. Sie musste Sydney hier heraus und in Sicherheit bringen. Das Leben des Jungen ging vor.
»Wir müssen hier raus, Sydney.« Linda schlug einen ungewohnten Kommandoton an.
»Aber Treffor!«, jammerte der Junge.
»Den hole ich gleich. Versprochen.«
»Versprochen?«
»Ich schwöre es.« Beinahe hätte sie noch »bei meinem Leben« hinzugefügt, aber das war ihr dann doch zu brisant. »Bist du bereit?«
Kaum bewegten sie sich von ihm weg, begann der Hund zu winseln, und als sie durch die Höhlenöffnung aus seinem Blickfeld verschwanden, fing er regelrecht an zu jaulen. Das Wehklagen war so herzzerreißend, dass Sydney in Panik geriet, in Tränen ausbrach und sich von dem Arm losreißen wollte, der ihn durch das Wasser zog.
Linda zwang sich, ganz ruhig auf ihn einzureden.
»Bitte, Sydney, wenn du Trevor helfen willst, dann tust du jetzt, was ich sage. Je schneller du am Ufer bist, desto schneller kann ich ihn holen!«
Die durchnässte Kleidung und Sydney als zusätzliches Gewicht erschwerten Linda den Weg zurück zum Strand, der außerdem durch die ansteigende Flut jetzt weiter entfernt war als vorhin. Der Kampf durch die Wellen dauerte wohl nur zehn Minuten, die Linda aber vorkamen wie ein ganzes Leben. Als sie schließlich Boden unter den Füßen hatte, nahm sie Sydney auf den Arm und trug ihn einige Meter den Strand hinauf, bevor sie auf die Knie fiel und ihn vor sich absetzte.
Der Wind nahm immer mehr zu und peitschte das Wasser auf. Schaumkronen auf den Wellen zersprangen an den Felsen.
Doch durch den Wind hindurch konnten sie immer noch das ängstliche Heulen eines Hundes hören.
Traurig sah Sydney sie aus seinen von Salzwasser und Tränen geröteten Augen an.
Sie hatte es ihm versprochen, und sie hielt immer, was sie versprach – aber sie konnte Sydney doch nicht alleine am Strand sitzen lassen!
Dann hörte sie eine maulige Stimme rufen und kurz darauf sah sie einen kleinen Lichtpunkt den Küstenweg herunterwackeln.
»Hallo?«, rief die Stimme erneut. »Trevor? Sydney? Seid ihr hier?«
»Geraldine!«, rief Linda erleichtert. »Hier drüben, Geraldine!«
Dann leuchtete die Taschenlampe in ihre Richtung.
»Linda! Gott sei Dank!«
Geraldine rannte auf sie zu, so gut sie konnte, und die beiden Frauen fielen sich in die Arme.
Da tauchte auch Pimpf aus der Dunkelheit auf und sprang schnurstracks auf Sydneys Schoß. Dort machte er sich breit und schnurrte und spendete dem durchgefrorenen Junge Wärme.
Trevor jaulte wieder. Sofort ließ Linda Geraldine los und marschierte aufs Wasser zu.
»Linda?«, sagte Geraldine mit höchster Beunruhigung in der Stimme.
»Sie waren in der Höhle und kamen nicht mehr raus. Ich muss noch mal zurück, um Trevor zu holen.«
»Aber das Wasser, Linda. Wir haben immer noch auflaufendes Wasser. Sieh doch nur.«
Geraldine hatte recht, die Höhlenöffnung war fast ganz im Wasser versunken.
»Dann muss ich mich noch mehr beeilen, ich kann ihn doch nicht da drin ertrinken lassen, Geraldine. Bitte pass auf Sydney auf ... Ich komme wieder ...«
Geraldine lachte, dann schluchzte sie und drückte Linda noch einmal kurz an sich.
»Ach, Arnie! Pass auf dich auf, du weißt, dass wir den Hund lieben, aber du darfst nicht ...«
Doch Linda löste sich von ihr und war bereits auf dem Weg ins Meer.
»Bitte Linda!«, rief Geraldine ihr hinterher.
Trevor jaulte noch einmal schauerlich auf und Sydney heulte wieder mit. Und auch die alte kampferprobte Geraldine konnte die Tränen vor lauter Angst und Entsetzen kaum zurückhalten. Doch dann riss sie sich zusammen, setzte sich auf den Boden, öffnete den Reißverschluss ihres Regenmantels und hüllte sich selbst, Sydney und Pimpf darin ein.
»Es wird alles gut gehen ... wird schon alles gut gehen ...«, murmelte sie immer wieder, um Sydney, aber in Wirklichkeit wohl auch sich selbst zu beruhigen.
Linda watete ins offene Meer. Sie hatte das Gefühl, es wollte sie mitsamt ihren
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