Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
störrische Lasteselin Linda jetzt unter dem zusätzlichen Gewicht der hässlichsten Torte der Welt zusammen?« Er wechselte wieder ins Englische und sagte zu Norman: »Sie glaubt, dass ich es ihr nicht zutraue, und wird jetzt alles tun, um mir das Gegenteil zu beweisen.« Seltsam flüsternd fügte er hinzu: »Schwestern lassen sich so einfach manipulieren. Wetten, jetzt trägt sie alle Kisten zum Auto, während ich ganz entspannt hier stehe und mich mit dir unterhalte? Vielleicht sollten wir eine Flasche aufmachen und einen Schluck trinken, während wir Linda bei der Arbeit zusehen ...«
Norman lachte. Linda war fest entschlossen, ihrem Bruder zu beweisen, dass sie a) genauso stark war wie er und b) sich nicht so einfach von ihm ärgern und manipulieren ließ, und streckte ihm die Zunge heraus, bevor sie zur Tür hinausmarschierte.
Rory war ihr zur Weinhandlung gefolgt. Warum, wusste er selber nicht so genau. Na ja, doch. Er musste sowieso in die Richtung, blieb dann aber unvermittelt vor dem Laden stehen, in den sie verschwunden war.
Er stand immer noch davor und betrachtete die Flaschenauslage, als er sie von innen die Ladentür ansteuern sah. Sofort eilte er herbei, um sie ihr zu öffnen, wie sich das für einen Kavalier gehört, wenn sich eine schwer beladene Frau nähert.
Nur leider war das Timing ungünstig.
Linda war nämlich fest entschlossen, nicht um Hilfe zu bitten, und wollte die Tür alleine öffnen.
Sie hatte gerade mit dem Ellbogen die Klinke heruntergedrückt und wollte die Tür mit der Hüfte aufschieben, peinlich darauf konzentriert, den Turm aus Kisten auszubalancieren, als Rory von außen anpackte und die Tür aufriss.
Linda wusste nicht, wie ihr geschah. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel – zum zweiten Mal heute – durch eine Tür.
Dieses Mal schaffte sie es aber auf wundersame, slapstickhafte Weise, nach einigem Wanken und Torkeln das Gleichgewicht wiederzuerlangen und mit der Champagnerkiste in der Hand vor der Weinhandlung zum Stehen zu kommen.
Ein Verlust war aber doch zu beklagen.
Im ersten Moment des Sturzes war die Tortenschachtel hoch in die Luft geflogen, wo sie einige bemerkenswerte Saltos geschlagen und sich dabei von ihrem Inhalt getrennt hatte.
Entsetzt sahen Rory und Linda nach oben. Schachtel und Torte schienen einen Moment in der Luft zu verharren, bevor gleichsam in Zeitlupe die Schachtel von einer Windbö erfasst und zum Wasser geweht wurde, während die Torte senkrecht zu Boden ging. Zu Lindas Erstaunen prallte sie dort einige Male ab, bevor sie wie ein an Schwung verlierender Kreisel und erstaunlich unversehrt mitten auf der Straße zum Stillstand kam, wo sie schließlich von einem Geländewagen überfahren wurde.
Die Torte hatte ihre – wenn auch hässliche – Form verloren und war jetzt nur noch Matsch.
Rory und Linda sahen von der zermatschten Torte auf und blickten sich an.
Jetzt war es Rory, der vor Scham im Erdboden hätte versinken mögen.
»Oh Gott, das tut mir leid ...«, stammelte er.
»Machen Sie sich keine Gedanken, Mr. Trevelyan«, meldete sich hinter ihnen Normans fröhliche Stimme. Er und Beau kamen mit den restlichen Champagnerkisten aus dem Laden. »Das war ein würdiges Ende.«
»Platz da, Schwesterherz.« Mit zwei Kisten beladen schob Beau sich an ihr vorbei. »Soll ich dir die da abnehmen und vors nächste Auto werfen?« Er nickte Richtung der Champagnerkiste, die sie immer noch trug. »Nein? Alles in Ordnung?«, fragte er dann, als sie ihm nicht antwortete. »Na, dann komm jetzt, Linda, wir sind spät dran ...« Er lief los und rief gut gelaunt über die Schulter: »Abgesehen von morgen ist heute der einzige Tag, an dem ich mich in Sachen pünktliches Erscheinen strikt an Pips Vorgaben halten sollte.«
Linda zögerte einen Augenblick. Es waren die wasserblauen Augen und etwas im Blick des Fremden, das sie einige Sekunden innehalten ließ.
»Jetzt komm schon, Linda! ¡Date prisa!«
Rory lächelte sie an.
Sie erwiderte sein Lächeln und lief dann ihrem Bruder hinterher zum Auto.
Ein Teil der hässlichen Torte hatte den Unfall aber doch überlebt: Der fuchsiafarbene, adipöse Marzipanamor klebte nun unter dem Chassis eines Porsche Cayenne voller Jetset-Kids. Er hatte seine Schuldigkeit getan.
Benommen schlenderte Rory zurück zum Cockleshell Inn und bemerkte gar nicht, wie die Leute ihn anstarrten. Heute taten sie das allerdings nicht, weil sie ihn aus People-Magazinen kannten, sondern weil ihm etwas in den Haaren klebte.
Ein
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