Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
schmiegte. Die kleinen Häuser klammerten sich an die Felsen, als ob ein heftiger Windstoß sie einfach wegpusten könnte.
Ja, wirklich ein ganz besonderer Ort.
Irgendetwas würde heute passieren, das spürte sie, es lag in der Luft.
Und dann passierte es.
Schlagartig, sozusagen.
Ganz buchstäblich.
Ihr erstes Abenteuer kam durch ein offen stehendes Fenster ganz in der Nähe geflogen, aus dem auch lautes Gejohle zu hören war. Es landete hörbar auf ihrem Kopf und brachte sie unsanft zu Fall.
Sie blieb rücklings auf dem Kai liegen. Durch den Schock und die nicht unbeträchtlichen Schmerzen hindurch hörte sie Rufe und eilende Schritte. Vorsichtig öffnete sie die Augen und sah ziemlich verschwommen ein besorgtes Gesicht über sich.
»Alles in Ordnung?«
Ob alles in Ordnung war? Gute Frage. Sie war sich nicht sicher. Pochte ihr Kopf deshalb so heftig, weil sie von etwas getroffen worden oder weil sie hart auf den Pflastersteinen aufgeschlagen war?
»Ich weiß es nicht ...« Vorsichtig fasste sie sich an den Kopf. »Mein Kopf fühlt sich so ...« Sie betrachtete ihre Hand. »... so nass und klebrig an.«
»Keine Angst, das ist kein Blut!« Das Gesicht wurde kurzfristig etwas schärfer. Sah ziemlich betreten aus. »Kannst du aufstehen?«
»Selbst wenn ich es nicht könnte, ich würde gerne ...«, murmelte Linda, als sie bemerkte, wie viele Menschen sich inzwischen um sie versammelt hatten. Gott, war das peinlich.
»Komm, ich helfe dir.«
Zwei kräftige Hände packten ihre und zogen Linda langsam auf die wackeligen Beine.
Langsam lief das klebrige Etwas ihr über die Wange. Sie wischte es ab. Blinzelnd betrachtete sie erst ihren Finger und dann den Samariter.
»Was ist das?«
»Saft.«
Inzwischen sah Linda wieder so scharf, dass ihr auffiel, wie verdammt blau die Augen ihres Samariters waren.
Und wie besorgt sie sie ansahen.
»Saft?«, fragte sie verwirrt nach.
»Saft«, wiederholte er und schien einen Moment hin- und hergerissen zu sein zwischen Sorge und Amüsement.
»Saft«, wiederholte Linda, und als sie lächelte, entschied auch er sich, die Sache mit Humor zu nehmen.
»Dir ist gerade eine Wassermelone an den Kopf geflogen.«
»Wie bitte? Wie konnte das denn passieren ...?«
Linda sah sich um. Die eben noch bange hoffenden Neugierigen fingen jetzt, da es der jungen Frau offenbar gut ging, an zu kichern.
Mitfühlend lächelte er sie an.
»Wenn es dich irgendwie tröstet: Sie wurde von einem der berühmtesten Sportler Englands geworfen ... Also, eigentlich ist es fast schon eine Ehre, von etwas am Kopf getroffen zu werden, das er geworfen hat.« Er neigte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Nigel Cassidy heißt der Übeltäter. Ich werde dafür sorgen, dass er sich höchstpersönlich bei dir entschuldigt.«
» Der Nigel Cassidy?« Lindas Verwirrung ließ nicht gerade nach. »Da wird mein Vater aber neidisch sein, der steht total auf Rugby und hat sich so gefreut, als Cassidy Kapitän wurde ...«
Ihr Samariter nickte.
»Großartiger Spieler. Richtig guter Werfer – wovon du dich jetzt persönlich überzeugen konntest ... Ganz unter uns: Er hat gerade den Ritterorden bekommen, und wenn an den Gerüchten was dran ist, kanst du in einem Jahr jedem erzählen, du seist von Sir Nigel Cassidy verunglimpft worden. Ich an deiner Stelle würde das da« – er deutete auf die Reste der Wassermelone – »à la Damien Hirst in Formaldehyd oder so einlegen, dann wird es in einigen Jahren ein Vermögen wert sein.«
Sie lachte.
Verzog das Gesicht, weil das Lachen wehtat.
Woraufhin er wieder besorgt guckte.
»Komm doch mit rein, dann kannst du dich ein bisschen sauber machen und ein Glas Wasser oder einen Kaffee trinken auf den Schreck.«
»Mit rein?«
Er zeigte auf das Gebäude hinter sich, doch Linda zögerte.
»Ach, es geht schon, danke.«
Sein Blick verriet ihr, dass sie schlimm aussehen musste, aber sie konnte nicht aus ihrer Haut. Ihr Vater hatte ihr von Kindesbeinen an ein gesundes Misstrauen beigebracht.
Er verstand ihre Zurückhaltung. Eine vernünftige junge Frau begleitete nicht einfach einen fremden Mann in ein ihr unbekanntes Gebäude. Auch nicht, wenn sie gerade von einer Wassermelone niedergestreckt worden war. Trotzdem: Heute würde er sie nicht wieder entwischen lassen.
»Kein Grund zur Beunruhigung, das ist ein Restaurant, und im Moment wimmelt es darin vor Leuten ...«
»Vor Leuten, die mit Wassermelonen um sich werfen?« In ihren dunkelbraunen Augen blitzte es
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