Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
soll, bevor er zumacht.«
So schnell konnte man einen miesepetrigen Haufen verkaterter Showkandidaten aufheitern. Das Cockleshell hatte an Werktagen zwar von elf Uhr vormittags bis Mitternacht geöffnet, am Wochenende aber nur noch mittags. Sie hatten einfach zu viel zu tun, als dass sie sieben Tage die Woche Mittagstisch und Abendkarte anbieten konnten. Der Sonntagsbraten des Cockleshell war inzwischen so legendär, dass man dafür Monate im Voraus einen Tisch im »Bratenhimmel«, wie die Sunday Times sich ausdrückte, reservieren musste. Die Vipern konnten ihr Glück kaum fassen und stürmten die Duschen, um Putzstaub und Putzschweiß abzuspülen.
Und so stand Linda auf einmal nackt in der Duschkabine neben einer Dame, die sie zuletzt halb nackt in einem Kalender im Abfüllraum des Weingutes ihres Vaters gesehen hatte.
Absolut himmlisch duftendes Duschgel hin oder her – so schnell hatte sich Linda selten den Schaum vom Körper gebraust, die Duschkabine verlassen und nach einem Handtuch gegriffen. Sie wickelte sich darin ein, und als sie in zwei weiteren Duschkabinen zwei weitere ihr irgendwie bekannt vorkommende, äußerst wohlgeformte Körper ausmachte, fragte sie sich, was hier eigentlich vor sich ging.
»Willkommen in der Selbstbewusstseinshölle«, meinte eine Stimme hinter ihr.
Diana saß in ein Handtuch gehüllt auf einer Bank und wartete darauf, dass all diese Alabasterkörper verdufteten. Erst dann würde sie Handtuch und Hemmungen ablegen und sich selbst unter die Dusche stellen.
Linda musste gleichzeitig grinsen und die Stirn runzeln. Das wurde ja alles immer seltsamer. Die Frau auf der Bank kam ihr auch irgendwie bekannt vor.
»Kenne ich Sie nicht?«
Diana streckte die Hand aus.
»Diana Noble.«
Der Name schien dem Mädchen nicht viel zu sagen, da sich die Furchen auf seiner Stirn vertieften.
»Persönlich kennen wir uns wohl nicht, aber ich bin Schauspielerin«, erklärte Diana. »Vielleicht haben Sie mich schon mal im Fernsehen oder so gesehen ...« Diana überlegte fieberhaft, welche ihrer Rollen wohl die bekannteste war. Das Mädchen war anscheinend keine Engländerin. Ihr fiel eine Serie ein, die international lief. » Killing Me Softly ?«
» Killing Me Softly ...«, murmelte das Mädchen und riss dann die Augen auf. »Ja, klar! Natürlich! Auf Spanisch heißt das Asesinándome gentilmente . Das gucken meine Eltern immer zusammen.« Flüsternd sprach sie weiter: »Und die da? Kenne ich die nicht auch?« Sie zeigte auf Wonderbra, die hemmungslos schief sang. »Von einem Kalender oder so?«
»War sie da halb nackt?«
»Mindestens«, sagte Linda, und die beiden Frauen grinsten sich an.
»Dann kennen Sie sie, ja.«
»Und die da? Die kenne ich doch aus irgendeiner Seifenoper, oder? Warum sind die alle hier? Warum sind Sie hier? Oder sind in dieser Stadt einfach alle berühmt?«
»Nein, in der Stadt nicht. Aber in diesem Duschraum.« Diana zuckte die Achseln und lächelte. »Machen wir’s kurz: Herzlich Willkommen am Set von England sucht den Superkoch .«
Linda riss die Augen auf.
»Sie machen Witze! Hier? Jetzt? Ich kenne die Show aus Spanien. Meine Mutter verpasst keine einzige Folge davon. Deshalb wurde ich also von einer Wassermelone getroffen, die Nigel Cassidy geworfen hat ...«
»Ach, das waren Sie? Ups. Tut mir leid, die anderen sind manchmal ein bisschen wild ... Wie große Kinder. Mit Ihnen alles in Ordnung?«
»Alles gut, alles heil.« Linda verstummte, als die Wasserhähne zugedreht wurden. Die frisch gewaschenen Damen griffen jedoch nicht nach ihren Handtüchern, sondern konfrontierten Linda und Diana mit ihren nassen Traumfiguren. »Bis auf mein Ego vielleicht ...«
»Machen Sie sich mal keine Sorgen, da können Sie locker mithalten. Also, nicht, dass ich gespannt hätte oder so ... Ach herrje, es tut mir leid?«
»Ist schon in Ordnung. Ich glaube, ich zieh mir dann jetzt mal was an und verschwinde ...«
»Soll das heißen, Sie wollen keine Autogramme?«, witzelte Diana mit einem Augenzwinkern.
Linda erwiderte ihr Grinsen.
»Im Moment nicht, nein. Aber ein anderes Mal vielleicht, wenn Stift und Papier zur Hand sind. Hat mich aber sehr gefreut.«
»Danke, gleichfalls. Vielleicht laufen wir uns ja noch mal über den Weg. Dann aber hoffentlich vollständig bekleidet.«
»Das wäre schön, ja.«
Leise vor sich hin lachend ging Linda wieder nach oben.
Der heutige Tag entwickelte sich ja geradezu surreal.
Aber das war ihr nur recht.
Genauso sollte ein Abenteuer
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