Bitte nicht füttern: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
war die Strecke, die sie laut Beau nicht gehen sollte. Dass sie es trotzdem tat, hatte nichts mit Trotz und Ungehorsam zu tun, sondern damit, dass sie Rorys Pullover angezogen hatte. Und der duftete so herrlich nach ihm, dass sie wie betäubt war und die Abzweigung verpasste. Bis sie wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen war, hatte sie schon fast die Hälfte des Weges hinter sich gebracht.
Zurück auf Arandore, froh, nicht von einer nostalgischen Dampflok überrollt worden zu sein, traf sie Beau und Pip in der Küche des Haupthauses an. Sie hatten gerade erst Feierabend gemacht und den langen Holztisch für den Nachmittagstee gedeckt.
Sie begrüßten sie freudig, kaum dass sie zur Tür hereinkam.
»Und, wie war dein erster Nachmittag in der Freiheit?«
»Wie hat dir Quinn gefallen?«
Linda überlegte sich ihre Antwort gut.
»Es war interessant«, sagte sie schließlich.
Die beiden wechselten fragende Blicke.
»Das ist alles? Mehr hast du nicht zu sagen?« Beau lächelte und klopfte auf die Sitzfläche des Stuhls neben sich.
»Na ja, besser kann ich diesen extrem merkwürdigen Nachmittag nicht zusammenfassen.«
»Merkwürdig? Wieso merkwürdig? Und was ist das für ein Pullover? Wo ist deine Jacke?« Beau entging natürlich nicht, dass Linda in einem ihr viel zu großen Herrenpullover steckte.
Linda sah von einem zum anderen.
Sollte sie ihnen die Wahrheit sagen?
Die meisten Menschen würden über die Geschichte mit der fliegenden Wassermelone sicher lachen, aber ihr Vater vermutlich nicht. Der würde dem Übeltäter mit der Schrotflinte hinterherrennen, die er bei den Ritten durch seine Ländereien immer bei sich trug.
Aber ihr Vater war ja Hunderte von Kilometern weg ...
»Also, Moment, ich fasse noch mal zusammen, ja?« Beau reichte ihr einen zweiten Scone mit Clotted Cream und Marmelade. »Du wurdest von einer Wassermelone am Kopf getroffen, die Nigel Cassidy geworfen hat, dann hast du Diana Noble kennengelernt und alle England-sucht-den-Superkoch- Kandidaten nackt unter der Dusche gesehen?«
»Nicht alle, nur die Frauen.« Linda war erleichtert, dass ihr Bruder lachte.
»Ach so, nur die Frauen, klar ...«
Pip grinste von einem Ohr zum anderen und warf ihrem Mann einen French Fancy zu.
»Mannomann, nicht schlecht für deinen ersten Tag im guten alten England.«
Beau fing den kleinen Kuchen auf und schob ihn sich augenzwinkernd komplett in den Mund.
»Hast du denn dann auch Rory Trevelyan kennengelernt?«, wollte Pip wissen.
»Wen?«
»Den, in dessen Restaurant gefilmt wird.«
»Wahrscheinlich schon, ja. Könnte sogar sein, dass das hier sein Pullover ist.«
»Hey, du Glückspilz! Der Typ ist der Hammer!«
»Echt?« Linda tat ganz unbeteiligt. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«
Pip wedelte kurz vor den Augen ihrer Schwägerin herum.
»Was ist?« Linda blinzelte und fing an zu schielen.
»Wollte nur sichergehen, dass der Schlag auf den Kopf nicht deine Sehkraft beeinträchtigt hat. Wieso ist dir das denn bitte nicht aufgefallen? Der Mann ist einfach nur schön . Den würde ich ganz bestimmt nicht vom Esstisch stoßen.«
»Um wen geht’s?« Pips Tante Susan kam von der Arbeit mit den Reben herein. »Von wem redest du nur einen Tag nach deiner Hochzeit, als hättest du wochenlang keinen Sex gehabt?«
»Hört, hört!« Beau applaudierte. Er war immer noch ganz hingerissen von der Vorstellung, wie seine unbedarfte kleine Schwester einen Duschraum mit einigen von Großbritanniens begehrtesten Frauen teilte.
»Rory Trevelyan. Linda hat ihn heute kennengelernt. Und behauptet, ihr sei nicht aufgefallen, was für ein toller Mann das ist.«
»Klar, und Osama Bin Laden wohnt in unserem Weinkeller«, spottete Susan.
»Wer wohnt in unserem Weinkeller?« Pips Mutter Judy war mitten im Satz hereingekommen.
»Rory Trevelyan.«
»Rory Trevelyan wohnt in unserem Weinkeller?«
»Nein, leider nicht, aber wir sprachen gerade darüber, wie gut der Mann aussieht ...«
»Und was hat das mit unserem Weinkeller zu tun?«
»Gar nichts.«
»Obwohl ich ja überhaupt nichts dagegen hätte, wenn er in unserem Weinkeller wohnen würde«, strahlte Tante Susan.
»Ja, er ist ganz nett«, stimmte Judy zu. »Aber ganz egal, wo er wohnt, mein Raphael sieht tausendmal besser aus.«
»Und du bist überhaupt nicht befangen ...«
»Doch, natürlich bin ich befangen. Gott sei Dank bin ich befangen, wäre doch schlimm, wenn wir alle auf denselben Mann stehen würden! Dann wäre die Welt voller frustrierter
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