Bitte sagen Sie jetzt nichts
wir dann nur einen einzigen Take gebraucht, mit mehreren Kameras aus verschiedenen Positionen. Die Szene war übrigens nicht ungefährlich. Durch den Sturz auf den Tisch hätte mich ein schwerer Leuchter fast enthauptet. Ein Finale von fraglichem Unterhaltungswert.
Sperr/Weiler Sie kommen aus einer Soldatenfamilie. Was haben Sie im Krieg gemacht?
Loriot Ich machte mit 17 das Notabitur, begann als Panzergrenadier eine Offizierslaufbahn, wurde Oberleutnant und verbrachte drei Jahre in Russland.
Sperr/Weiler Warum wollten Sie Soldat werden?
Loriot Es war eine Familientradition und wurde seit Jahrhunderten nicht in Frage gestellt.
Sperr/Weiler Waren Sie ein guter Soldat?
Loriot Nicht gut genug, sonst hätte ich am 20. Juli 1944 zum Widerstand gehört. Aber für den schauerlichen deutschen Beitrag zur Weltgeschichte werde ich mich schämen bis an mein Lebensende.
Sperr/Weiler Was machten Sie nach dem Krieg?
Loriot Ich folgte dem Rat meines ungeduldigen Vaters und begann ein Studium an der Hamburger Landeskunstschule.
Sperr/Weiler War das nicht eine Überwindung für Ihren Vater?
Loriot Nein. Er war ein Mann ohne Vorurteile. Er erkannte einen künstlerischen Beruf für seinen Sohn als richtig, obwohl er selbst, abgesehen von einer Neigung zum Vortragen klassischer Balladen, nicht musisch veranlagt war. Mit dem Tage der Währungsreform 1949 erhielt jeder Bürger vierzig Mark der neuen Währung. Mein Vater kaufte von dem Geld einen Zauberkasten.
Sperr/Weiler Für Sie?
Loriot Nein, für sich. Er kaufte sich einen Zauberkasten und reiste zu mir nach Hamburg, um meine Freundin und mich mit einer magischen Vorstellung zu verblüffen. In meinem Achtquadratmeterzimmer steigerte sich diese Darbietung dann zwischen guter Absicht und missratenen Effekten zu einem Desaster von schier wahnsinniger Komik. Die vierzig Mark hätten nicht besser angelegt sein können. Und aus der Freundin wurde meine Frau, mit der ich noch immer verheiratet bin.
Sperr/Weiler 1968 schrieben Sie in das Vorwort Ihres Buches Loriots großer Ratgeber: »Nach etwa zwanzig Lehrjahren sah ich mich nun imstande, ein kleines Männchen zu zeichnen, das mich bis heute ernährt.« Womit fangen Sie an, wenn Sie das Knollennasenmännchen zeichnen?
Loriot Mit den Haaren. Nicht mit der Nase.
Sperr/Weiler Wie viele waren das wohl so im Lauf der Jahre?
Loriot Keine Ahnung ... vielleicht 20 000.
Sperr/Weiler Diese Figur hat etwas sehr Melancholisches. Selbst Frauen haben immer diese steife Oberlippe und sind nie wirklich hübsch.
Loriot Wer ist schon wirklich hübsch? Jeder Karikaturist neigt zu melancholischen Figuren. Sie haben etwas Tröstliches.
Sperr/Weiler Täuscht uns der Eindruck, oder sparen Sie das Sexuelle aus?
Loriot Da ist Ihnen wohl etwas entgangen ...
Sperr/Weiler Was?
Loriot Darauf müssen Sie ohne meine Hilfe kommen.
Sperr/Weiler Das Knollennasenmännchen ist typisch deutsch.
Loriot Ist das ein Kompliment? Es trägt einen Stresemann und hat eine gewisse Würde, die es gelegentlich verliert. Vielleicht ist das deutsch.
Sperr/Weiler Zu Ihrer Welt gehören auch Möpse und Buchsbäumchen. Alles ist eher altmodisch.
Loriot Ja, das ist es. Wenn ich Autos zeichnete, waren es die Automobile aus meiner Kindheit, Türen hatten immer Füllungen, die Möbel stammten aus der Gründerzeit. Auch meine Figuren passten nie in die Epoche, in der ich sie gezeichnet habe. Das waren die vertrauten Eindrücke der Kindheit im Schutz der Großmutter. Ich bin sehr geprägt von diesen Resten bürgerlicher Romantik. Das hat sich im Lauf der Jahre als Vorteil erwiesen: Unzeitgemäßes hält sich länger.
Sperr/Weiler Woher wissen Sie, was komisch ist?
Loriot Aus Erfahrung. Aber es gibt auch Regeln. Jerry Lewis hat viele davon aufgestellt. Eine lautet: Wenn du als Entertainer auf die Bühne gehst, musst du als Allererstes eine sehr gute Geschichte erzählen. Und dann zwanzig Sekunden später noch so eine. Von da an kannst du alle zwanzig Sekunden machen, was du willst. Das Publikum wird im selben Rhythmus weiterlachen. Aber über den Zusammenhang von Komik und Rhythmus sprachen wir schon. Sie brauchen nur Harald Schmidt zu beobachten. Der hat das im kleinen Finger.
Sperr/Weiler Wie vermeidet man es, Dinge zu tun, die nicht komisch sind? Sie müssen es wissen, Sie hatten nie einen Flop.
Loriot Man muss sehr rigoros sein und mehr wegschmeißen, als man verwendet. Mir fällt das nicht schwer, manche Texte lese ich einem Mitarbeiter oder meiner Frau vor. Wenn
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