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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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aus der Rolle gefallen. Milan hingegen spielte die Rolle des großzügigen Gastgebers und stolzen Schwiegervaters perfekt. Das war er der kroatischen Gemeinde Kölns schuldig. Milan wusste, was sich gehörte.«
    »Und du?«
    »Was? Ich?«
    »Ja. Du!«
    »Ich war nicht wichtig. Das Kind würde einen Vater und einen Namen haben. Das war wichtig. Nur das. Alles hatte wieder seine Ordnung. Niemand würde die schmutzige Wahrheit erfahren. Branko nannte sie Dalia. Ein schöner Name, nicht wahr? Er liebte sie abgöttisch. Ich wusste es, seit er sie zum ersten Mal in seinen Armen hielt, am Tag nach ihrer Geburt. Ich sah seine Augen und wusste, er würde mich niemals anrühren. All seine Liebe würde er diesem Kind schenken. Hatte er verdrängt, dass sie nicht seine Tochter war? Dass er sie nicht gezeugt hatte? Dass er die Mutter dieses Kindes nicht liebte, nicht begehrte? Ich weiß es nicht, Kristina. Ich weiß bis heute nicht, was in Brankos Kopf vorgeht. Jetzt, seit Dalia tot ist, weniger denn je.«
    »Dann kam Zoran zurück …«
    »Ja. Nach sechs Jahren. Ohne Vorankündigung erschien er zu Milans Beerdigung. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Da stand er, mitten in der stummen Trauergemeinde. Die Männer klopften ihm auf die Schulter. Die Frauen umarmten ihn. Zoran, der verlorene Sohn. Zoran, der Kriegsheld. Brankos Gesicht wurde zu Stein. Für einen Moment ballte er die Fäuste. Aber dann besann er sich auf seine Rolle, ging auf Zoran zu, umarmte ihn. Die Frauen weinten vor Rührung. Hemmungslos. Dann entdeckte Zoran mich, kam durch die Menge auf mich zu und schüttelte mir die Hand. Als sei ich irgendein namenloser Trauergast. Nur seine Augen, in diesem Moment für niemanden sichtbar außer für mich, sagten die Wahrheit. Seine Augen baten um Verzeihung. Und ich verzieh ihm. Branko blickte stumm über Zorans Schulter und begriff, dass ich ihm verzieh, ohne ein Wort zu sagen. Dann sah Zoran hinab, zu dem kleinen Mädchen neben mir, mit fragendem Blick, und ich antwortete: Das ist Dalia. Sie wird bald sechs Jahre alt. Dalia, gib Onkel Zoran die Hand und sag ihm Guten Tag. Zoran hielt die kleine Hand. Tränen rollten über sein Gesicht, während er das Kind anlächelte. Und Dalia lächelte zurück. Da wusste ich: Jetzt hatte Dalia Jerkov gleich zwei Väter, die sie abgöttisch liebten und jederzeit bedenkenlos ihr Leben für sie geben würden.«
    »Aber Alenka Jerkov hatte deshalb immer noch keinen Mann, der sie liebte und begehrte …«
    »Zoran hätte mich niemals angerührt. Wegen Branko. Er wollte seinen Bruder nicht verletzen. Zoran hatte sich sehr verändert. Er habe im Krieg zu viele Kinder sterben sehen, sagte er. Ich erlaubte ihm, seine Tochter hin und wieder zu sehen. Gegen Brankos Willen. Er wollte das nicht, aber er fügte sich, als er begriff, dass zwischen Zoran und mir nichts mehr aufflammen würde. Nie wieder. Manchmal lag ich nachts wach, neben Branko, hörte sein gleichmäßiges Atmen und stellte mir vor, noch einmal mit Zoran zum See zu fahren. Mit ihm im warmen Sand zu liegen. Und mit ihm zu tun, was wir damals getan hatten. Wieder und wieder. Ich betrog meinen Ehemann in meinen Träumen.«
    »Ist das Betrug, Alenka? Branko hat dich nicht begehrt. Dein Ehemann hat dich nicht wie seine Frau behandelt.«
    Aber Alenka hörte nicht zu. Sie war weit weg mit ihren Gedanken, ihren Erinnerungen. Als würde sie nicht mit Kristina, sondern mit sich selbst sprechen.
    »Zoran ging mit Dalia oft samstags in den Zoo. Wenn sie alle Tiere gesehen hatten, kauften sie ein Eis, setzten sich auf eine Bank und redeten und redeten und redeten. Dalia zählte jede Woche voller Vorfreude die Tage, die Stunden, die Minuten, bis Zoran sie abholte. Und jedes Mal leuchteten ihre Augen, wenn er sie zurückbrachte. Sie liebte ihren Onkel über alles. Onkel Zoran hat gesagt, Onkel Zoran hat gesagt. Als würde sie ihr ganzes Weltbild danach ausrichten, was Onkel Zoran sagte. Zoran steckte mir regelmäßig Geld zu, für das Kind. Unser Kind. Ich nahm es gern, ich konnte es gut gebrauchen, weil das Restaurant zu dieser Zeit überhaupt nicht gut lief. Aber von dem Geld durfte Branko nichts wissen. Das hätte ihn sehr verletzt.«
    »Alenka, wer wusste die Wahrheit? Wer wusste, dass Zoran der Vater deiner Tochter war?«
    »Niemand!«
    Die Antwort kam viel zu schnell. Kristina drückte Alenkas Hände, um ihrer Aufmerksamkeit gewiss zu sein.
    »Das kann unmöglich sein.«
    »Milan wusste es natürlich. Aber der war tot. Branko wusste es.

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