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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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es, David?«
    Die Uhr war so ziemlich das Einzige, was an Günthers 38 Jahre altem R4 nicht mehr funktionierte. David warf einen Blick auf seine Armbanduhr, ohne die Hände vom Steuer zu nehmen.
    »Kurz vor Mitternacht.«
    Sie verließen die A 3 und folgten der B 506 nach Osten. Die schnurgerade, noch knapp vier Kilometer lange Bundesstraße in Richtung Bergisch Gladbach war zugleich die Hauptstraße des Kölner Stadtteils Dellbrück. Eine Straße ohne Anfang, ohne Ende, ohne Gesicht, gesäumt von ausgetretenen, verlassenen Bürgersteigen und tristen, grauen Mietskasernen. Die einzigen Farbtupfer lieferten die schrillen Reklameschilder der Imbissbuden, Stehcafés und Handy-Läden. In mindestens jeder dritten Wohnung hing die rot-weiße Fahne mit dem Geißbock in einem der erleuchteten Fenster.
    »Schön, wenn man sich die ganze Woche lang auf etwas freuen kann«, sagte Artur, schob den Zettel zurück in seine Hosentasche und verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust.
    »Du meinst doch wohl nicht die nächste Niederlage des FC, oder? Darauf soll man sich die ganze Woche freuen?«
    »Die Hoffnung stirbt zuletzt, David. Die scheinen hier ansonsten nicht viel zu haben, was die Hoffnung lohnt.«
    »Die hatten immerhin mal Preußen Dellbrück. Die kickten zu ihren besten Zeiten in der obersten deutschen Spielklasse.«
    »Preußen Dellbrück? Nie gehört. In der Bundesliga?«
    »Die gab’s da noch nicht. Oberliga West hieß das nach dem Krieg. 1949 aufgestiegen, das Jahr übrigens, als Schalke 04 schon wieder abstieg. Am alten Preußen-Stadion sind wir gerade vorbeigefahren. Da stehen jetzt Häuser drauf. Tausende Zuschauer hatten die damals bei ihren Heimspielen. Stehplätze auf den Wiesenhängen. Gleich im ersten Jahr schafften sie es bis ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. Preußen-Torhüter Fritz Herkenrath wechselte anschließend zu Rot-Weiß Essen, wo ihn Sepp Herberger für die Nationalmannschaft entdeckte. Und mit Preußen Dellbrück ging es bald steil bergab. Den Verein gibt’s schon seit 1957 nicht mehr.«
    »Was du so alles weißt.«
    »Ich weiß das selbst auch erst seit ein paar Stunden. Als ich nach meinem Besuch bei der Denkmalbehörde noch schnell in der Mayerschen Buchhandlung vorbei bin.«
    »Buchhandlung? Was hast du denn da gesucht?«
    »Ich habe mir die einschlägigen heimatgeschichtlichen Werke über Dellbrück angesehen. Auf der Suche nach der alten Walther-Fabrik. Da stößt man zwangsläufig auf Preußens Fußballgloria, ob man will oder nicht.«
    »Und?«
    »Was und?«
    »Heimatkunde, zweiter Teil: Was war das für eine Fabrik? Was haben die hergestellt?«
    »Walther & Cie. Im 19. Jahrhundert gegründet. Hochdruckkessel, Kohlenstaubfeuerungen, später Rauchmelderanlagen und Feuerlöscher. Viele Jahrzehnte der größte Arbeitgeber in Dellbrück. 1990 wurde Walther an Tyco verkauft.«
    »Tyco? Wer ist Tyco?«
    »Ein internationaler Mischkonzern mit amerikanischen Wurzeln, der vom Tiefseekabel bis zum Schmerzmittel Paracetamol alles Mögliche herstellt und vor einem Jahr sein Mutterhaus von den Bermudas in die Schweiz verlegt hat. Vom Steuerparadies ins Steuerparadies. 113 000 Mitarbeiter weltweit. Der Finanzchef und der CEO von Tyco wurden übrigens …«
    »CEO? Was ist das?«
    »Chief Executive Officer. Vorstandsvorsitzender.«
    »Okay. Was war mit denen?«
    »Die wurden vor fünf Jahren von einem amerikanischen Gericht unter anderem wegen Diebstahls von 600 Millionen Dollar, verbrecherischer Verschwörung und Bilanzmanipulation zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Schuldig in 29 von 30 Anklagepunkten. Und das alte, denkmalgeschützte Fabrikgelände in Dellbrück ist jetzt ein Gewerbepark.«
    »Walther & Cie. Schrotthandel Artur & Cie. Klingt auch nicht übel, oder? Meinst du, ich sollte mich vielleicht CEO nennen und schicke Visitenkarten drucken?«
    David grinste. Sarkasmus war Arturs Allheilmittel, um mit extremen Stress-Situationen umzugehen.
    »Woher hast du die Schlüssel, Artur?«
    »Alter Kunde.«
    »Hält er die Klappe?«
    »Natürlich.« Es klang fast beleidigt.
    Sie verließen die B 506, bogen an der Ampel nach links ab und folgten der kurvigen Straße den Berg hinauf. Nach zwei Kilometern rumpelte der R4 über die alte Eisenbahnbrücke.
    »David?«
    »Ja?«
    »Wir wissen nichts über diesen Deal, oder? Wir haben nichts weiter als diesen Zettel.«
    »Korrekt.«
    »Wir haben nicht die geringste Ahnung, was hier in anderthalb Stunden passieren wird.«
    »So ist

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