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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Milan schlug mehrere Fliegen mit einer Klappe. Erstens tat er seinem besten Freund aus alten Tagen, nämlich meinem Vater, einen großen Gefallen. Der wusste nämlich nicht mehr, wie er die hungrigen Mäuler seiner sieben Kinder stopfen sollte. Zweitens konnte Milan, dessen Frau ja früh gestorben war, eine Hilfe im Restaurant gut gebrauchen, und inzwischen konnte er sich eine externe Kraft auch finanziell leisten, zumal eine ungelernte Sechzehnjährige aus Vukovar keine allzu großen Ansprüche stellen würde. Essen, ein Bett, etwas Taschengeld. Und drittens hoffte Milan, dass die Gesellschaft einer jungen Kroatin seiner ebenfalls im Restaurant arbeitenden siebzehnjährigen Tochter dabei helfen könnte, dass Maja nicht länger ihre Muttersprache und ihre kroatische Abstammung verleugnete. Denn Milan passte es gar nicht, wie sehr sich Maja in eine Deutsche verwandelte. Er war zwar mächtig stolz auf die guten Schulnoten seiner Tochter und auf ihren Ehrgeiz, das Abitur zu schaffen. Aber nach dem Abitur, das stand für Milan fest, sollte Maja gefälligst ganz ins Geschäft der Familie einsteigen. Nicht auf der Rechnung hatte Milan, als er mich von Vukovar nach Köln holte, seinen missratenen Sohn.«
    Alenka machte eine Pause.
    Kristina schwieg. Sie wagte kaum zu atmen. Bis zu diesem Augenblick war alles nur eine abenteuerliche Hypothese gewesen. Eine gewagte Hypothese, auch wenn sie vieles erklären würde. In dieser Sekunde wurde die Hypothese zur Wahrheit.
    »Zoran, der schöne Zoran. 20 war er damals. Stark. Mutig. Immer ein freches Grinsen im Gesicht. Der geborene Anführer. Und der geborene Verführer. Die Frauen des Viertels waren ganz verrückt nach ihm. Auch die verheirateten Frauen. Zoran ließ nichts anbrennen, wie man hier im Rheinland sagt.«
    Alenka erhob sich schwerfällig, wankte auf unsicheren Beinen zum Kühlschrank, nahm eine Flasche Mineralwasser aus dem Türfach und füllte zwei Gläser. Dann schaltete sie den Fernseher ein und stellte rasch den Ton leise, noch bevor die Hausfrau auf dem Bildschirm die großartigen Erfolge preisen konnte, die sie bei ihrer Familie mit dem Anrühren von Fertigsuppen erzielte. Sie steckte die Fernbedienung in die Tasche ihrer Kittelschürze und kehrte mit den beiden Gläsern zurück zum Tisch.
    »Gleich kommt Carsten Cornelsen. Den darf ich nicht verpassen. Cornelsen gibt mir Trost. Er hat so eine bestimmte Art, weißt du? Man fühlt sich gleich nicht mehr so alleine, wenn man erfährt, welches schwere Schicksal andere Menschen zu tragen haben. Carsten Cornelsen sagt, dass es im Leben immer einen Ausweg gibt. Wie das Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels. Kennst du die Sendung?«
    Kristina nickte und log damit heute zum zweiten Mal, nachdem sie schon diesen Friedbert belogen hatte. Aber das war so leicht gewesen. Alenka zu belügen tat weh.
    »Zoran. Zuerst hat er mich kaum beachtet. Er kam ja auch nur selten nach Hause. Manchmal stellte er etwas im Lagerschuppen ab oder lieh sich ein Werkzeug aus. Ohne zu fragen natürlich. Zoran nahm sich immer, was er brauchte.«
    Alenka trank einen winzigen Schluck. Sie nahm das Messer in die Hand und legte es wieder ab. Sie schob eine Paprika beiseite. Sie rückte das Glas zurecht.
    »Seine Schwester liebte er abgöttisch, aber mit seinem Vater und mit seinem Bruder redete er kaum ein Wort. Nur das Nötigste. Wenn er zu Besuch kam oder wenn ich ihn zufällig irgendwo im Viertel sah, schlotterten mir augenblicklich die Knie und mein Herz raste wie verrückt. Manchmal erkannte er mich auf der Straße, dann zwinkerte er mir freundlich zu, und ich wurde knallrot und war froh, dass er nicht stehen blieb, um mit mir zu reden. Was sollte er denn auch mit diesem kleinen Dorftrampel aus Vukovar reden? Zu der Zeit konnte ich ja auch noch nicht mal die deutsche Sprache. Nur die wichtigsten Wörter, danke, bitte sehr, guten Tag, guten Abend, guten Morgen, auf Wiedersehen.«
    »Und die anderen?«
    »Die Familie Jerkov? Von der jedermann in Vukovar glaubte, sie müssten Millionäre sein? Milan war korrekt. Streng, aber gerecht. Und Branko war sein gelehriger Schüler. Manchmal führte er sich wie eine billige Karikatur des Alten auf. Maja war nett zu mir, hilfsbereit, gerade in der schwierigen Anfangszeit. Aber aus der großen Freundschaft wurde nichts, weil Maja natürlich die Absicht ihres Vaters schnell durchschaut hatte. Und was dann passierte, hat ihre rebellische Haltung nur noch gefördert. Gleich nach dem Abitur verließ sie das

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