Bitter Lemon - Thriller
Zoran natürlich. Und ich. Sonst niemand.«
»Alenka, ich glaube dir nicht.«
»Selbst Maja wusste es nicht. Branko hätte es niemandem erzählt. Das hat mit Mannesehre zu tun. Die Wahrheit hätte ihn dem Spott der Gemeinde ausgeliefert. Kroatische Männer sind …«
»Wem hat es Zoran erzählt?«
Alenka schwieg. Ihr Mund war ein schmaler Strich.
»Bitte, Alenka. Ich muss es wissen.«
»Dieser Hure.«
»Wem?«
»Dieser Nutte. Dieser Marie. Und die dämliche Kuh hat es wohl ihrer tschechischen Freundin erzählt. Eliska. Aber die ist ja jetzt ebenfalls tot. Stand doch überall in den Zeitungen.«
Alenka Jerkov erweckte nicht den Eindruck, als würde sie den Mord an Eliska Sedlacek sonderlich bedauern.
»Woher weißt du, dass Marie es Eliska erzählt hatte?«
»Von Zoran.«
»Aber du hast doch gesagt, du hast ihn nicht mehr gesehen, seit er aus dem Gefängnis …«
»Ja. Das ist richtig. Seit seiner Entlassung habe ich Zoran nicht mehr gesehen. Aber ich habe ihn oft im Gefängnis besucht. Von Anfang an. Zwölf Jahre lang. Branko wusste nichts davon. Oder er hat sich nie etwas anmerken lassen. Ich habe keinen Führerschein, die Fahrt mit dem Zug von Köln nach Rheinbach war jedes Mal wie eine kleine Weltreise. Aber das habe ich gern in Kauf genommen. Denn im Gefängnis gehörte Zoran mir. Mir ganz alleine. Da konnte er mir nicht weglaufen.«
»Zoran wurde erpresst.«
»Ja. Die haben diesen Anwalt geschickt, diesen Waldorf, gleich nach Zorans Verhaftung. Und der hat ihm Fotos von Dalia gezeigt, wie sie morgens das Haus verlässt und zur Schule geht. Waldorf hat ihm klargemacht: Solange du brav im Gefängnis sitzt, wird deiner Tochter kein Haar gekrümmt. Wenn nicht, dann wird Dalia auf dem Weg zur Schule spurlos verschwinden …«
»Hatte Zoran dir erzählt, wer dahintersteckte?«
»Nein. Er wollte mich nicht in Gefahr bringen. Und das mit Dalia und der Erpressung hat er mir nur erzählt, damit ich besonders gut auf unsere Tochter aufpasse. Das habe ich auch getan. Aufgepasst und immer mit der Angst gelebt … aber gegen den Blutkrebs waren wir alle machtlos. Niemand konnte ihr helfen. Auch die Ärzte nicht. Sie war so tapfer, unsere Dalia. Alles hat sie klaglos über sich ergehen lassen. Die Tortur der Chemotherapie. Sie wollte uns ihre Schmerzen nicht zeigen, ihr Leiden für sich behalten. Sie hat sogar noch ihre Abiturprüfungen abgelegt, in der Klinik, mit einer Sondergenehmigung des Ministeriums. Sie wollte, dass Branko und ich stolz auf sie sind und sie in guter Erinnerung behalten. Bald sehe ich den Onkel Zoran wieder, sagte sie, kurz bevor sie starb. Sie wusste bis zu ihrem Tod nicht, dass Zoran im Gefängnis saß. Zoran wollte das nicht. Zoran bestand damals darauf, wir sollten der kleinen Dalia erzählen, er habe kurzfristig ins Ausland verreisen müssen und sei dort bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er wollte, dass Dalia ihn vergaß. Sie ist doch erst sechs Jahre alt, sie wird mich schnell vergessen, sagte er damals. Aber erst an Dalias Sterbebett begriff ich, dass sie ihn nie vergessen hatte. Wie konnte ich sie nur belügen …«
Alenka griff in die Tasche ihrer Kittelschürze. Zum Vorschein kam zu Kristinas Überraschung kein Taschentuch, sondern die Fernbedienung. Alenka stellte den Fernseher laut, viel zu laut. Carsten Cornelsen betrat die Bühne. Er trug einen eleganten, cremefarbenen Sommeranzug, eine Krawatte und ein passendes Einstecktuch. Die blitzblanken Schuhe glänzten im Licht der Scheinwerfer. Das Publikum im Studio applaudierte begeistert. Carsten Cornelsen verbeugte sich in täuschend echt wirkender Demut, faltete die Hände wie zum Gebet und lächelte.
Alenka erwiderte das Lächeln.
Kristina erhob sich.
Sie wusste nun alles, was sie wissen wollte.
Sie konnte nun gehen.
Sie dachte nach.
Sie entschied sich zu bleiben, griff nach der Fernbedienung auf dem Küchentisch und schaltete den Fernseher aus.
»Kristina! Was machst du da?«
»Alenka, hör mir zu: Ich werde dir nun ein großes Geheimnis anvertrauen. Das Geheimnis des Dr. Carsten F. Cornelsen. Ich bin mir sicher, anschließend willst du diese verfluchte Sendung nie wieder anschauen. Nie wieder!«
Artur drehte und wendete den Zettel, den Ingvar im Pornokino in Davids Hemdtasche gestopft hatte, als könne er mit seinen schwieligen Händen eine unsichtbare Botschaft zwischen den Buchstaben und Ziffern ertasten.
Walther-Str. / Tor 2 / Halle VII / 01.30 h.
Das war’s. Mehr stand nicht drauf.
»Wie spät ist
Weitere Kostenlose Bücher