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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Mittfünfziger mit der Fliege und dem Breitcordanzug ein Lächeln ab, während er sich schwerfällig auf einen der beiden Stühle an der linken Tischseite fallen ließ. Nur der Jüngere auf der rechten Seite lächelte nicht, sondern musterte David Manthey misstrauisch über sein aufgeklapptes Notebook hinweg. Er war vielleicht Anfang dreißig, drahtig und durchtrainiert, trug schwarze Jeans und ein schwarzes Poloshirt. Ein sandfarbenes Sakko hing über der Stuhllehne. David hielt dem Blick des Drahtigen stand, bis das Alpha-Tier ihn ablenkte:
    »Herr Manthey, es geht um Zoran Jerkov.«
    »Das sagten Ihre Leute bereits.«
    »Sie waren mit ihm befreundet. Eng befreundet, nicht wahr?«
    »Ja. Vor einer Ewigkeit.«
    »Vor einer Ewigkeit. Wie lange ist das genau her?«
    »Wir waren noch Kinder. Gleich alt. Wir wohnten im selben Viertel. Und wir spielten im selben Basketball-Team. Später haben wir uns aus den Augen verloren.«
    »Aus den Augen verloren. Interessant. Verlieren sich denn gute Freunde jemals aus den Augen?«
    »Da waren wir keine guten Freunde mehr.«
    »Aha! Was war denn passiert?«
    »Wie bitte?«
    »Was hat zum Bruch Ihrer Freundschaft geführt?«
    »Ist das ein Verhör?«
    Das Alpha-Tier lächelte wieder, rückte die beiden blassgrünen Schnellhefter vor sich auf der Tischplatte zurecht und faltete darüber die Hände. Kein Ehering. Entweder war er nicht verheiratet, oder er war nicht bereit, in seinem Job auch nur das geringste private Detail preiszugeben.
    »Herr Manthey, Sie waren lange genug Polizist, um zu wissen, wie die Sache läuft. Dies ist kein Verhör. Dies ist nicht einmal eine Zeugenvernehmung. Dies ist ein informelles Gespräch, zu dem Sie sich freundlicherweise bereit erklärt haben.«
    »Schön. Dann fangen wir doch einfach an: Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?«
    Das Alpha-Tier ignorierte den ersten Teil der Frage und klappte den linken Schnellhefter auf. »Herr Manthey, wir möchten, dass Sie uns helfen, Zoran Jerkov zu finden.«
    »Was hat er verbrochen?«
    »Er hat zwei Menschen getötet.«
    »Wen?«
    »Eine tschechische Prostituierte … und nach seiner Verurteilung zu lebenslanger Haft einen serbischen Mithäftling.«
    »Davon habe ich gehört. Ist ziemlich lange her.«
    »Ja. Eine halbe Ewigkeit, um Ihre Diktion zu gebrauchen. Etwas genauer ausgedrückt: zwölf Jahre.«
    »Da kann ich Ihnen in der Tat einen Tipp geben: Rufen Sie das Landesjustizministerium in Düsseldorf an und fragen Sie dort nach, in welcher Haftanstalt er einsitzt.«
    »Zoran Jerkov ist seit gestern raus, Herr Manthey.«
    Wie auf ein stilles Kommando nahm der Durchtrainierte die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Videobeamer über ihren Köpfen ein. Während der Beamer nervös aufflackerte und seinen kalten, blauen Strahl auf die weiß getünchte Betonwand über dem Sideboard richtete, widmete sich der Durchtrainierte seinem Notebook. Sekunden später stapfte Zoran Jerkov durch das geöffnete Stahltor der Justizvollzugsanstalt Rheinbach hinaus auf den Vorplatz. In Schwarz-Weiß. Die Kamera schien hoch über Zorans Kopf zu schweben. David konnte zwar Zorans Gesicht nicht sehen, aber das breite Kreuz, die hochgezogenen Schultern und der gedrungene Körperbau waren unverkennbar. Zoran war nicht allein. Eine Frau begleitete ihn. Schlank. Groß. Größer als Zoran. Pumps, strenges Kostüm, modische Bob-Frisur. Mehr war auch von ihr nicht zu erkennen. Die Kamera zoomte sich heran, das Bild zitterte nervös. Mitten auf der Straße blieb Zoran stehen, setzte den Seesack auf dem Asphalt ab und starrte in den Himmel. Er suchte die Sonne. Langzeithäftlinge suchen bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Sonne.
    Die Frau berührte ihn sanft am Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Zoran nickte, griff nach dem Seesack und überquerte den Rest der Straße, schritt unsicher seinem Ziel entgegen, das die Überwachungskamera erst jetzt erfasste: die Meute.
    Zoran sah sich hilflos um, sein Blick suchte die Frau im Kos tüm. Ein kleiner, ängstlicher, alter Mann von gerade einmal 40 Jahren. Gebrochen von zwölf Jahren Knast. Nein, das war nicht jener Zoran, den David Manthey in Erinnerung hatte. Zoran Jerkov, der geborene Anführer und Verführer. Zoran, der Vollstrecker. Zoran, der ewig grinsende Held.
    Das Rascheln von Papier lenkte David Manthey ab: Das Alpha-Tier schaute sich nicht das Video an, sondern blätterte gelangweilt in dem zweiten Schnellhefter auf dem Tisch. Auch wenn die eingescannten Fotos aus

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