Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
Vom Netzwerk:
wann sie jemals zuvor einem Menschen restlos vertraut hatte.
    Nicht mal Marc hatte sie vertraut.
    Marc.
    Sie trat ans Fenster, öffnete es und sah hinunter in die Große Witschgasse. Wenn sie sich weit genug hinauslehnte, konnte sie sogar den Rhein sehen. Die Wohnung war viel zu groß und viel zu teuer für sie allein. Seit Marc vergangenen Monat ausgezogen war. Korrespondent in Peking. Komm doch mit. Hatte er gesagt. Aber nicht so gemeint. Das hatte sie deutlich gespürt. Sie hatte nichts erwidert an jenem Tag, und er hatte seine Aufforderung nie mehr wiederholt. Er hatte fast alle Möbel zurückgelassen, die sie im Lauf der Jahre angeschafft hatten. Aber er hatte ihre gemeinsamen Träume mitgenommen.
    Sie schloss das Fenster, als der Verkehrslärm, der von der nahen vierspurigen Rheinuferstraße in die Gasse drang, unerträglich wurde. Sie sah sich einen Moment lang unschlüssig um, kramte schließlich in den auf dem Fußboden verstreuten Sachen, bis sie Patricia Barber fand. If I Were Blue. Sie schob die CD in den Schacht, ließ sich auf das nagelneue Sofa fallen, schloss die Augen und kämpfte gegen die Tränen.
    Sind Sie Journalistin?
    Eine Frage, die sich mit einem einzigen Wort beantworten ließ. Sie schwieg zwar eisern, so wie man es ihr eingetrichtert hatte, blieb aber unwillkürlich stehen. Diese Stimme. Stark und schüchtern zugleich. Der Gefängnisdirektor drängte sie, endlich weiterzugehen. Eine junge Frau im Trakt für Lebenslange war ein enormes Sicherheitsrisiko. Während der Direktor sie vorwärtsschob, wanderte ihr Blick durch die Werkstatt. Dann sah sie diese traurigen Augen in dem Gesicht jenseits der Hobelbank.
    Mein Name ist Zoran Jerkov.
    Sie schenkte ihm ein höfliches Lächeln.
    Wollen Sie meine Geschichte hören?
    Sie nahm kurz Blickkontakt zu ihrem Kameramann auf. Der schüttelte den Kopf. Sie wusste genau, was das Kopfschütteln zu bedeuten hatte: zu alt, zu klein, zu farblos. Ein TV-Reportage für Frank Kochs InfoEvent über den Alltag im Gefängnis verlangte nach starken Figuren. Zum Lieben oder zum Hassen. Der Anblick des Langzeithäftlings Zoran Jerkov durch das Auge der Kamera erzeugte lediglich Gleichgültigkeit. Der Gefängnisdirektor schob sie weiter und bereute bereits, die Abkürzung durch die Schreinerei genommen zu haben. Sie war schon halb durch die Tür der Werkstatt, als sie erneut seine Stimme hörte:
    Der Kölner Prostituiertenmörder. 1998. Glauben Sie mir: Was ich Ihnen zu erzählen habe, wird Ihr Leben verändern.
    Fünf Tage später saß sie Zoran Jerkov im Besuchszimmer gegenüber. Nur so. Er nickte stumm, als sie mit fragendem Blick das Aufnahmegerät auf den Tisch legte.
    If I Were Blue . Als der letzte Ton verhallte, fasste Kristina Gleisberg einen Entschluss: Er war ihr ein letztes Interview schuldig. Eine einzige Antwort auf eine einzige Frage. Mehr nicht. Sie würde Zoran Jerkov finden. Und sie würde gleich am nächsten Morgen damit beginnen, ihn zu suchen.
    Am nächsten Morgen landete der zehnsitzige Learjet aus Ibiza um 11.58 Uhr in der Wahner Heide und nahm im militärischen Sicherheitsbereich des Konrad-Adenauer-Airports seine Parkposition ein. Vor dem Hangar der Flugbereitschaft wartete ein Mittelklasse-Mercedes mit Wiesbadener Kennzeichen auf die drei Passagiere, die den Learjet zwei Minuten nach der Landung über die kurze Gangway verließen.
    Für den Mercedes öffneten sich Schranken und Tore wie von Zauberhand. Der Fahrer nickte, schwieg, nahm die Autobahn und trat aufs Gaspedal. Eine halbe Stunde später waren sie am Ziel. Sie nahmen den Aufzug hinab ins Untergeschoss des Kölner Polizeipräsidiums und folgten dem endlos langen, nur schwach beleuchteten Flur aus Sichtbeton. Vor dem Durchgang zum Schießkino bogen sie nach rechts ab. Die dritte Tür von links stand offen. David Manthey trat ein, seine beiden Begleiter blieben draußen und schlossen die Tür hinter ihm.
    Ein ovaler Konferenztisch, mausgrau. Drei Männer.
    »Herr Manthey! Schön, dass Sie kooperieren. Nehmen Sie doch bitte Platz. Kaffee?«
    David Manthey schüttelte den Kopf, nahm die Reisetasche von der Schulter und setzte sich auf den nächstbesten der sechs Stühle. Der Mann, der ihm Kaffee angeboten hatte, nahm am gegenüberliegenden Kopfende Platz. Das Alpha-Tier also. Mitte sechzig vielleicht, schlank, sportlich, das graue Haar millimeterkurz geschoren. Der Nadelstreifen-Dreiteiler saß perfekt. Das Alpha-Tier lächelte freundlich, also mühte sich auch der übergewichtige

Weitere Kostenlose Bücher