Bitter Lemon - Thriller
macht die Nachricht von meinem Rauswurf tatsächlich die Runde?«
»Schlechte Nachrichten, über die man sich genüsslich das Maul zerreißen kann, verbreiten sich in der Branche schneller als ein Lauffeuer. Aber vielleicht habe ich was für dich. Die Redaktion der Talkshow, für die ich hin und wieder als Vertretung die Studioregie übernehme, sucht einen neuen Researcher. Du weißt schon: jemand, der interessante Studiogäste auftreibt und natürlich recherchiert, ob die aufgetischten Lebensgeschichten wasserdicht oder frei erfunden sind. Da melden sich natürlich eine Menge Spinner als Kandidaten. Wenn man sich mit dem geisteskranken Format und dem eitlen Moderator abfinden kann, dann ist das gar kein schlechter Job. Zumindest vorübergehend. Wenn du Interesse hast, bringe ich dich ins Gespräch.«
»Welche Show ist das?«
»Carsten Cornelsen.«
»Dieser Lackaffe? Dieser Frömmler?«
»Genau der. Sensationelle Einschaltquoten. Meine Schwägerin zum Beispiel guckt diesen Schwachsinn jeden Nachmittag. Ich werde einfach mal mit Friedbert reden.«
»Friedbert?«
»Friedbert ist Cornelsens Redaktionsleiter. Hauptsache, du kommst möglichst schnell aus dem Tief raus und verdienst genug Kohle, um dich über Wasser zu halten. Sobald du was Besseres gefunden hast, schmeißt du eben wieder hin. Das machen alle so. Deshalb ist Friedbert ja auch ständig auf der Suche nach neuen Researchern, die er ausbeuten kann. Okay? Zieh einen Schlussstrich, Kristina. Cut. Nächste Szene, neues Glück.«
»Einverstanden. Das ist wirklich sehr nett von dir.«
»Kein Problem. Du hast unseren Bruder aus dem Knast geholt. Auch wenn Zoran ein undankbares, asoziales Arschloch ist, so steht die Familie doch tief in deiner Schuld.«
Der junge Kellner trat aus der Tür des Cafés auf den Platz. Er steuerte ihren Tisch an, nahm ein bis zur Hälfte mit Eiswürfeln gefülltes Glas vom Tablett, stellte es vor Maja ab, öffnete das Fläschchen Bitter Lemon mit geübtem Griff und füllte das Glas. Er spannte die Muskeln unter dem T-Shirt an und ließ Maja keine Sekunde aus den Augen, während er die zweite Frau am Tisch völlig ignorierte. Kristina Gleisberg konnte sich nicht erinnern, dass Maja Jerkov schon etwas bestellt hatte.
»Danke, Gino.«
»Prego.«
Der Kellner riss sich mühsam los und verschwand.
»Ich bin nicht zum ersten Mal hier«, sagte Maja. Es klang fast wie eine Entschuldigung.
»Das dachte ich mir«, entgegnete Kristina und ärgerte sich im selben Augenblick darüber, dass ihre Entgegnung in Majas Ohren wie ein Vorwurf klingen musste.
»Warum suchst du Zoran eigentlich?«
»Er ist in großen Schwierigkeiten.«
»Das ist dein Motiv? Die barmherzige Samariterin, die meinen armen Bruder vor den Schrecknissen dieser bösen Welt bewahren will? Ich habe im Radio gehört, dass Zoran wegen Mordes gesucht wird. Das Dreckschwein Waldorf ist tot.«
»Glaubst du, dass dein Bruder ihn umgebracht hat?«
»Ich glaube gar nichts. Nicht einmal an den lieben Gott. Ich weiß nur, dass Heinz Waldorf ein Schwein war.«
Die drei Frauen am Nachbartisch warfen Maja missbilligende Blicke zu. Kristina entzifferte die Schriftzüge auf dem halben Dutzend Tragetaschen, die unter dem Tisch aufs Auspacken warteten, und gelangte zu dem Schluss, dass sie mit ihren Prosecco-Gläschen auf den erfolgreichen Bummel durch die teuren Modeläden der Mittelstraße anstießen. Und dass sie nicht so aussahen, als hätten sie das ausgegebene Geld selbst verdient. Maja Jerkov starrte so lange ungeniert zurück, bis sich die drei Frauen wieder mit sich selbst beschäftigten.
»Zoran hat im Gefängnis immer sehr nett von dir gesprochen, Maja. Das Wohl seiner Schwester lag ihm am Herzen, hatte ich den Eindruck. Und er war wahnsinnig stolz darauf, wie weit es seine kleine Schwester beruflich …«
»So? War er das? Im Reden war Zoran schon immer gut. Es gab Zeiten, da hätte ich ihn echt gebraucht. Ich war erst sieben, als unsere Mutter starb. Kannst du dir vorstellen, wie das ist, als Mädchen ständig von solchen erzkatholischen, erzreaktionären Machos wie Milan Jerkov und seinem wohlgeratenen Erstgeborenen herumkommandiert zu werden? Die ersten Jahre nach Mutters Tod waren noch gar nicht so schlimm. Aber die Pubertät war die Hölle. Da musst du nicht muslimische Türkin sein und aus Anatolien stammen. Da reicht es völlig, wenn du katholische Kroatin bist und aus Vukovar kommst.«
»Tut mit leid, Maja. Ich wollte dich nicht …«
»Als mein Vater und
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