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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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sein wohlgeratener Erstgeborener mir ständig vorschrieben, wie ich mich zu kleiden hatte und wen ich außerhalb der Schule treffen durfte, da hätte ich Zorans Unterstützung gut gebrauchen können. Aber Zoran war ja vollauf mit seiner kriminellen Karriere beschäftigt, während ich tagtäglich nach den Hausaufgaben in der Küche schuften musste. Als ich mich nach dem Abi entschloss, Kamerafrau zu werden statt billiger Küchensklavin in dieser stinkenden Cevapcici-Bude, da hätte ich Zorans Rückendeckung bitter nötig gehabt. War er da vielleicht noch nicht stolz auf mich? Ich habe mich ganz alleine durchgeboxt, gegen den massiven Widerstand meines Vaters. Ja, damals hätte ich Zorans Hilfe dringend gebraucht. Stattdessen ist er zurück nach Vukovar, in diesen sinnlosen, barbarischen Krieg gezogen. Hat sich einfach verpisst, mein Bruder. Am Tag vor meinem 18. Geburtstag verschwand er ohne ein einziges Wort. Er hat sich nicht einmal von mir verabschiedet …«
    Die Stimme versagte. Die Tränen schossen ihr in die Augen. Die drei Frauen am Nebentisch zahlten ihren Prosecco, sammelten ihre Tragetaschen ein und verschwanden in der Menschenmenge. Der junge Kellner bedachte Kristina mit einem zornigen Blick, während er die Sektkelche abräumte.
    Kristina legte ihre Hand auf Majas Unterarm. Ihre Haut fühlte sich weich und warm an. Maja entzog sich der Berührung und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Entschuldigung. Es ist zwar lange her, aber es sitzt tief. Das Gefühl der Verlassenheit. Angeblich ein besonderes Problem von Migrantenkindern, sagt mein Therapeut. Er hat mir geraten, meinen Frieden mit Zoran zu schließen. Weil wir Seelenverwandte seien. Das Problem ist nur, dass er sich nach der Haftentlassung gleich wieder verpisst hat, mein Seelenverwandter. Vielleicht würde auch ich besser einen Schlussstrich ziehen. Cut. Die Kamera nach vorne gerichtet. Nächste Szene, neues Glück.«
    »Hat er noch Freunde?«
    »Hier in Köln? Keine Ahnung. Zwölf Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Ich weiß nur, dass er schon damals, als er nach sechs Jahren aus Kroatien zurückkam, hier kaum noch Freunde hatte. 1997 war das. Das Todesjahr meines Vaters. Zoran erschien völlig überraschend zur Beerdigung und blieb dann in Köln. Als sei nichts gewesen. Geschäftspartner hatte er. Zechkumpane. Aber Freunde? Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Und die Jugendfreunde aus der Eigelstein-Gang?«
    »Davon kannte ich nur wenige. Öcal, Ilgaz, Artur … aber das waren keine richtigen Freunde, das waren Erfüllungsgehilfen. Zoran befahl, sie gehorchten, und solange alle ihren Reibach machten, war die Welt in Ordnung. Zorans einziger richtiger Jugendfreund war David. Aber den hat er …«
    »David?«
    »David Manthey. Der wohnte gleich um die Ecke. Felix Manthey besaß eine Spedition im Stavenhof. Felix war auch der Coach des Basketball-Teams. Für ihn war das so eine Art ehrenamtliches Sozialprojekt, um Jugendliche aus dem Viertel auf den rechten Weg zu führen. Aber mit Zoran in der Mannschaft war das Projekt gleich zum Scheitern verurteilt. Zoran begriff das Team als Rekrutierungsbüro für seine Gang. Bis Felix Manthey ihn dann aus der Mannschaft warf. Daraufhin folgte mehr als die Hälfte des Teams Zoran, und das Sozialprojekt war gestorben. Für Zoran war das nichts weiter als ein Machtkampf gewesen. Eine Frage der Ehre. Ein Spiel. Zoran musste immer gewinnen.«
    »Seltsam. Bisher dachte ich, Zoran hätte mir bei den vielen Gesprächen im Knast so ziemlich alles über sein Leben erzählt. Aber den Namen David Manthey hat er nie erwähnt.«
    »Das wundert mich allerdings überhaupt nicht. Zoran ist ein Meister der Verdrängung. Unangenehme Erinnerungen streicht er einfach aus seinem Gedächtnis.«
    »Was ist aus diesem David geworden?«
    »Ein Bulle. Kaum zu glauben: David, der Bulle. Aber bei der Polizei ist er inzwischen nicht mehr, habe ich gelesen. Er hat den Dienst quittiert und ein Buch geschrieben. Über das Drogengeschäft. Und wie mit Drogen Politik gemacht wird. Das ging doch vor zwei Jahren durch alle Medien. David hat damit viel Staub aufgewirbelt, und es gab eine Menge Ärger. Aber geändert hat es wohl doch nichts.«
    »Hast du ihn seit eurer Kindheit …«
    »Ich habe ihn nie wieder gesehen.«
    Kristina Gleisberg war lange genug Journalistin, um Stimmlagen als Stimmungslagen zu deuten. Und in Majas letztem Satz schwang sowohl Verbitterung als auch Wehmut mit.
    David Manthey. Jetzt erinnerte sich Kristina

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