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Bitter Lemon - Thriller

Titel: Bitter Lemon - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Schlepptau, Waldorf stand auf fröhliche Pyjamapartys, das weiß doch jeder. Und jetzt wollen sie ihre peinliche, tödliche Panne mir anhängen. Und auch derjenige, der Waldorf umgebracht hat, hat’s nur getan, um es mir anzuhängen, damit die Polizei ihre Schlagzahl erhöht, denn vorher hatten die Bullen ja gar nichts in der Hand gegen mich. Ich war schließlich ein freier Mann, ich kann auf einem Motorrad davonbrausen, wann und wo und wie es mir beliebt. Die Bullen sollen mich jetzt, mit dem Mordvorwurf an der Backe, so lange wie ein waidwundes Tier durch die Stadt hetzen, bis ich den eigentlichen Jägern vors Visier laufe.«
    »Wer sind diese Jäger?«
    »Alles ist jetzt anders, David. Ich muss meine Pläne korrigieren. Ich muss jetzt Schluss machen … in Ruhe nachdenken. Ich melde mich bald wieder bei dir.«
    »Und wie? Über Skype?«
    »Lass das meine Sorge sein. Vertraue mir.«
    Der Bildschirm wurde schwarz.
    Vertraue mir.
    Wer auf Zoran setzt, geht unter, hatte Maja immer gesagt.
    Maja Jerkov.
    Die erste große Liebe seines Lebens.
    Dummerweise Zorans kleine Schwester.
    David Manthey löschte den Dateipfad im Computer, störte den jungen Marokkaner hinter dem Tresen ein zweites Mal bei seiner Lektüre, bezahlte und wandte sich Richtung Ausgang. Er hatte die Tür noch nicht erreicht, als das Plärren der Musik aus dem Miniaturradio in dem Regal neben der Kasse verstummte und der Nachrichtensprecher des lokalen Senders die Fahndungsmeldung verlas. Die seltsam gestanzten Worte aus den heillos überforderten Miniaturboxen waberten hohl, kraftlos und fadendünn durch den Raum, und ihre Bedeutung drang erst mit Verzögerung von Mantheys Ohren zu Mantheys Gehirn:
    Die Polizei sucht weiterhin fieberhaft Zoran Jerkov … im Zusammenhang mit dem Mord an dem Rechtsanwalt Heinz Waldorf … außerdem inzwischen als dringend Tatverdächtigen in einem weiteren Mordfall: In ihrem Apartment im Stadtteil Bayenthal wurde vor zwei Stunden die Leiche der tschechischen Prostituierten Eliska Sedlacek aufgefunden …
    »Können Sie das Radio bitte lauter stellen?«
    »Was?«
    Die Stimme des Marokkaners klang genervt. David Manthey griff über den Tresen und den Kopf des Mannes hinweg ins Regal und drehte den linken Knopf bis zum Anschlag auf.
    … geht die Kriminalpolizei nach den ersten Ermittlungen von einem gewaltsamen Tod durch Fremdverschulden aus. Über Motiv und Tatwaffe wolle man aber aus ermittlungstaktischen Gründen zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben machen. Wie Radio Köln allerdings aus zuverlässiger Quelle in Polizeikreisen erfuhr, wurde die vierunddreißigjährige Frau erdrosselt, vermutlich mit einer Drahtschlinge. Hinweise auf den derzeitigen Aufenthaltsort des Tatverdächtigen oder Beobachtungen im Zusammenhang mit dem Opfer nimmt jede Polizeidienststelle entgegen. Die Kriminalpolizei warnt Zeugen allerdings eindringlich davor, selbst einzuschreiten, denn Zoran Jerkov ist vermutlich bewaffnet und gilt als äußerst kaltblütig und gefährlich …
    Ja. David Manthey nickte unbewusst, als er die gläserne Tür zur Straße öffnete und den Laden verließ. Ja, das war nicht zu leugnen: Zoran Jerkov konnte äußerst kaltblütig und gefährlich sein.
    Tomislav Bralic war Priester geworden, um Menschen dabei zu helfen, ein glücklicheres Leben zu führen. Der Pfarrer war nämlich felsenfest davon überzeugt, dass die Erde kein Jammertal sein musste, nur damit es der Kirche leichter fiel, bei den Menschen die Sehnsucht nach dem paradiesischen Jenseits im Himmel zu nähren, um sie so an den Katholizismus zu binden.
    Und so empfand es der libertäre Freigeist folgerichtig keineswegs als Widerspruch, zugleich Katholik und Anarchist zu sein. Der Anarchismus in seiner philosophischen Urform lehnt jegliche Herrschaft von Menschen über Menschen ab, zwangsläufig auch jede staatliche Herrschaft. Diese Geisteshaltung gefiel Tomislav Bralic ausgesprochen gut, erinnerte sie ihn doch an Jesus und seine Jünger. Als junger Mann verehrte der Kroate zunächst seinen Landsmann Tito, weil der die Faschisten verjagt und die Völker des Balkan geeint hatte und weil er einen dritten Weg jenseits des Kapitalismus und des Stalinismus propagierte.
    Wie eng aber die Grenzen der Freiheit auch im blockfreien sozialistischen Musterland gesteckt waren, musste Tomislav Bralic schmerzhaft erleben, als der theologische Werkstudent in Zagreb einen Streik anzettelte. Die Arbeiterinnen der Konservenfabrik liebten den Nachwuchspriester

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