Bitter Lemon - Thriller
haben wir zurücklassen müssen, bei der Flucht aus Kristina Gleisbergs Wohnung …«
»Vor wem seid ihr geflüchtet? Vor der Polizei?«
»Vor einem Riesen mit weizenblond gefärbtem Haar, der vermutlich selbst nachts eine Sonnenbrille trägt.«
»Der Albino.«
»Du kennst ihn?«
»Sei vorsichtig, David. Er ist ein Söldner. Er tötet für Geld. Das ist sein Beruf. Er stammt aus Estland oder Lettland oder Litauen, niemand weiß das so genau. Er hat viele Namen, aber keinen davon muss man sich merken, weil sie alle falsch sind.«
»Was will er?«
»Mich will er, David. Ich habe sie aufgescheucht, mit meinem öffentlichen Racheschwur und dem ganzen Medienrummel. Genau das war meine Absicht. Allerdings hatte ich nicht einkalkuliert, dass er den bequemen Umweg über die Menschen aus meinem Umfeld geht. Der Albino hat den Auftrag, mich zu finden, und zu diesem Zweck will er Kristina und dich befragen. Seine Befragungstechniken sind äußerst effizient.«
»Also ist er jetzt auch hinter Branko und Maja her.«
»Nein. Weil meine Familie keine Gelegenheit ausgelassen hat, in den Medien zu verkünden, was für ein dämliches Arschloch ich bin und dass ich mich gefälligst zum Teufel scheren soll. Dass der Albino hinter Kristina her ist, liegt auf der Hand. Schließlich war sie andauernd wieder in allen Medien zu sehen. Die Frau, die Zoran Jerkov aus dem Knast geholt hat. Wieso er aber so schnell auf dich kommen konnte, wo wir doch mehr als zwanzig Jahre lang keinen Kontakt hatten, ist mir ein Rätsel.«
»Wer ist sein Auftraggeber?«
»Lies das Dossier.«
»Wo ist dieses Dossier? Sag es mir endlich.«
»Im Seesack. Besorg den Seesack.«
»Keine Chance. Die Wohnung wird jetzt rund um die Uhr observiert. Das Haus. Die gesamte Straße …«
»Von wem?«
»Keine Ahnung. Ich war vor knapp einer Stunde dort. Aber ich konnte nicht nahe genug ran. Weder der Albino und seine Schlägertruppe noch die Kölner Polizei. Da scheint noch jemand hinter dir her zu sein, Zoran.«
Zoran Jerkov schwieg. Er dachte nach. Er starrte an der Web-Kamera vorbei ins Leere. David Mantheys letzte Bemerkung schien ihn zu irritieren.
Zwei jugendliche Türkinnen betraten den Raum. Die eine mit, die andere ohne Kopftuch. Beide in Jeans. Sie maulten so lange herum, bis der Marokkaner ihnen den Computer mit der größten Distanz zu David zuwies. Ihre Köpfe verschwanden vollständig hinter dem Monitor. David hörte sie unentwegt kichern.
»Was ist in dem Seesack, Zoran?«
»Eine lederne Schreibmappe …«
»Die haben wir. Aber da war nur belangloses Zeug drin. Ein leerer Notizblock, Bleistifte, Kugelschreiber …«
»Im Knast kann man viel lernen fürs Leben. Tischlern, Lackieren, Verputzen … und auch das Nähen von Leder … klar so weit?«
»Klar.«
»Gut. Wenn ihr das Dossier gelesen habt, reden wir weiter.«
»Stopp!«
»Ja?«
»Zoran, nenne mir einen einzigen vernünftigen Grund, warum ich dir jetzt helfen sollte, nach all dem …«
»Ich kenne keinen Grund, David. Außer vielleicht … dein Sinn für Gerechtigkeit. Der ist doch nicht einfach gestorben, nur weil du kein Bulle mehr bist, oder?«
»Dann sag mir endlich, um was es geht.«
»Um Sklaverei.«
»Sklaverei? Zoran, wir leben im 21. Jahrhundert.«
»Eben. Ich muss jetzt verschwinden. Bis bald.«
»Hast du Heinz Waldorf umgebracht?«
Zoran starrte David ungläubig an. Als hätte ihn keine einzige Frage mehr überraschen können als diese.
»Glaubst du das wirklich?«
»Ich glaube gar nichts. Deshalb frage ich dich.«
»Die Polizei denkt wohl allen Ernstes, mein Racheschwur bezieht sich auf diese Witzfiguren im Prozess. Richter, Staatsanwalt und so weiter. Aber diese Leute interessieren mich nicht. Ich wette, die haben alle sofort Sicherheitsstufe eins bekommen. Aber warum bekam ausgerechnet Heinz Waldorf keinen Personenschutz?«
»Sag’s mir.«
»Weil sie dachten, mich über diese bewusste Sicherheitslücke schnappen zu können. Die dachten doch tatsächlich, ich würde in diese dämliche Falle tappen. Hübsche Vorstellung: Zoran Jerkov parkt vor dem Haus, klingelt an der Tür oder macht sich an einem Kellerfenster zu schaffen, und schon haben sie das kroatische Schwein in flagranti erwischt. Diese Idioten.«
»Aber jemand anderes, den sie nicht auf ihrer Checkliste hatten, ist derweil bei Waldorf reinmarschiert.«
»So ist es. Seelenruhig, vor den Linsen ihrer Nachtsichtge-räte und Videokameras, wahrscheinlich mit ein paar Nutten als Tarnung im
Weitere Kostenlose Bücher