Bitter Love
fehlte der Nachschub, um den Ansturm zu bewältigen. Das stresste Georgia so sehr, dass sie die Büroarbeit liegen ließ und sich an die Kasse stellte, damit ich endlich mit dem Gemüse vorankam. Fieberhaft hackte und würfelte ich und füllte Behälter auf, die sich viel zu schnell wieder leerten.
Ich war derart in die Arbeit vertieft, dass ich Coles Stimme überhaupt nicht wahrnahm, als er bei Georgia seine Bestellung aufgab. Sie räusperte sich vielsagend, und als ich den Kopf hob, bemerkte ich ihren warnenden Blick. Mir war sofort klar, was sie damit sagen wollte:
Steh bloß nicht ewig rum und quatsche. Dafür haben wir zu viel Arbeit.
»Hey«, sagte ich über die Theke hinweg. Ich versuchte zu lächeln, aber das fühlte sich verkehrt an. Auf einmal war ich total nervös. Eigentlich war ich immer noch böse auf ihn wegen gestern Abend – jedenfalls wäre ich es gern gewesen, wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, der Abend läge schon ewig lang zurück. Er lächelte ein bisschen, genau die Art von Lächeln, die ich so gut an ihm kannte – die mit dem Grübchen am Mundwinkel. Zugleich wirkte er irgendwie angespannt. Ihm schien klar zu sein, dass es nicht leicht werden würde,sich wieder mit mir zu versöhnen. Er fühlte sich schuldig und wollte es wiedergutmachen. Schon allein diese Tatsache erleichterte es mir, ihm zu verzeihen.
»Selber hey«, sagte er. Georgia hielt ihm seinen Kaffeebecher hin und er reckte ihn in die Höhe. »Den brauch ich jetzt!« Georgia kassierte und gab ihm ohne ein Wort das Rückgeld, mit einem Seitenblick auf mich. Auch diesmal war die Botschaft eindeutig:
Denk an Lily!
Cole lief an der Theke entlang und stand jetzt direkt vor mir. Sein Duft hüllte mich ein und ließ meine Hände zittern, obwohl ich immer noch sauer auf ihn sein wollte.
»Ich kann jetzt nicht reden«, flüsterte ich, ohne ihn anzusehen. »Ich muss das hier erst fertig machen.«
»Klar«, antwortete er. »Ich bleib einfach hier, bis du Feierabend hast.«
Ich warf einen Blick auf die Wanduhr hinter mir. »Das dauert aber noch bis fünf.« Ich machte weiter mit dem Gemüse.
»Ich warte«, sagte er.
»Du willst doch nicht im Ernst zwei Stunden hier rumsitzen?« Natürlich hatte er das schon oft gemacht, aber heute war es etwas anderes. Ich gab mir alle Mühe, genervt zu klingen.
Da spürte ich die Berührung seiner Finger an meiner Wange. Ich blickte auf. Er hatte sich weit über die Theke gebeugt und sah mir direkt in die Augen. Seine Hand streichelte mein Gesicht so wunderbar sanft, dass ich fast Angst bekam, auf der Stelle in Ohnmacht zu fallen.
»Ich würde bis in alle Ewigkeit auf dich warten, wenn’s sein müsste«, sagte er.
Wider Willen lächelte ich. Seine Berührung kam mirso viel wirklicher vor als all die seltsamen Dinge, die er gestern Abend gesagt und getan hatte. Ich konnte einfach nicht anders. Ich liebte ihn.
Da hörte ich Georgias Stimme vom Büro her – »Alex, sind die Eier fertig?« – und erwachte aus meiner Trance.
Eilig arbeitete ich weiter, nun allerdings wieder total unkonzentriert. Jedes Mal, wenn ich hochschaute, sah ich, dass er mich im Blick hatte, den Kaffeebecher in der Hand und weit zurückgelehnt. Wenn wir einander direkt ansahen, war es, als gäbe es einen Kurzschluss in meinem Hirn. Und wenn ich danach wieder auf das schaute, was ich gerade tat, schien es mir total fremd. Hatte ich wirklich gerade Gurken in Scheiben geschnitten? Ich konnte mich kaum noch daran erinnern.
Jeder hat mal einen schlechten Tag
, hatte Georgia gesagt. Jeder. Auch Cole. Vielleicht war das die Erklärung für gestern Abend – Cole hatte einfach einen schlechten Tag gehabt. Einen entsetzlich schlechten, aber das war verzeihlich.
Weil ich so unkonzentriert war und dauernd von meinem Schneidebrett hochblickte, bekam ich es sofort mit, als Bethany das Lokal betrat.
Sie ging zur Theke, wo Georgia stand. Nachdem die beiden einen Augenblick lang leise miteinander geredet hatten, sanken Georgias Schultern zusammen.
»Alex«, sagte sie. »Deine Freundin muss dich sprechen.« Sie schürzte die Lippen und flüsterte unhörbar: »Aber mach schnell.«
Anders als bei Cole hatte ich Bethany gegenüber keine gemischten Gefühle. Ich fühlte mich schuldig und sonst gar nichts. Mein schlechtes Gewissen war so überwältigend,dass es mir schwerfiel, auch nur die Füße in ihre Richtung zu lenken. Da stand meine beste Freundin, mit der ich fast mein ganzes Leben geteilt hatte, und ich
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