Bitter Love
schlüpfte auf den Beifahrersitz. Er schloss hinter mir die Tür, ging auf die andere Seite und stieg ein. Der Sitz unter ihm knarrte und ein leichter Geruch nach Leder stieg auf, der mich an unser erstes Date erinnerte und bei dem ich ganz schwach wurde.
Nachdem er eingestiegen war, blieb er einfach sitzen. Seine Hände lagen regungslos in seinem Schoß und er starrte mit leerem Blick die Mauer hinter dem Lokal an, von der sich die Farbe löste. Ich musterte ihn, schaute den vorbeifahrenden Autos hinterher und bekam mit, wie die Hintertür aufging und Jerry eine Mülltüte nach draußen zum Container schleppte, wobei er Coles Wagen misstrauisch beäugte. Ich rutschte ein Stück tiefer nach unten.
Nach Minuten des Schweigens räusperte sich Cole, tippte mit den Daumen auf seinen Oberschenkeln herum und sagte: »Was da passiert ist. Das mit deinen Freunden. Tut mir leid.«
Ich blinzelte. »Hast du mir gestern schon gesagt«, antwortete ich und hoffte, dass der Satz nicht zu vorwurfsvoll klang.
Er fuhr mit dem Finger über das Armaturenbrett, wischte Staub weg.
»Ich weiß. Aber ich wollte es dir heute noch mal sagen. Du weißt schon, nicht einfach so spontan, aus dem Augenblick heraus, sondern richtig. Mir ist klar, dass du den ganzen Abend über sauer auf mich warst.«
Ich nickte und berührte unwillkürlich den Traumfänger. »Die beiden sind meine besten Freunde«, sagte ich. »Ich versteh nicht ganz, was da passiert ist. Bethanywollte einfach nett sein. Was du getan hast, war wirklich … uncool.«
Er starrte die Wand mit der abblätternden Farbe an und trommelte mit den Daumen einen Rhythmus auf seine Oberschenkel. »Sie hat dich im Griff«, sagte er. »Sie dominiert dich. Das ist dir klar, oder? Dieser ganze Colorado-Mist …« Er sprach nicht weiter, sondern schüttelte nur den Kopf. »Was soll das überhaupt mit dieser Reise? Weißt du, ich würde dir das nie antun – dass ich mit einem Mädchen irgendwo anders hinfahre. Mit einer ›besten Freundin‹.« Um die beiden letzten Wörter setzte er mit den Fingern Anführungszeichen.
Auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Klar, Cole war eifersüchtig auf Zack. Das hatte ich längst begriffen. Aber er war nur darum eifersüchtig, weil er so vieles nicht wusste. Nicht wissen konnte. Jedes Mal, wenn wir auf unsere Familien kamen, hatte ich so schnell wie möglich das Thema gewechselt. Cole hatte nicht die geringste Ahnung, wie viel es mir bedeutete, diese beiden Freunde zu haben, und welche Rolle sie in meinem Leben spielten. Er hatte keine Ahnung, wie oft sie für mich da gewesen waren und wie oft ich für sie. Er war nicht dabei gewesen, als wir beschlossen hatten, nach Colorado zu fahren, um dem größten Geheimnis meines Lebens auf die Spur zu kommen. Er war nicht dabei gewesen, als wir drei einen feierlichen Schwur abgelegt hatten, dass wir diese Reise gemeinsam unternehmen würden, damals auf dem Holzhaufen bei Bethany im Garten. Er hatte nicht die geringste Vorstellung von all dem.
Ich schob ein Bein unter den Po, dann wandte ichmich ihm zu. Ich nahm seine Hand, damit er endlich mit diesem hektischen Getrommel aufhörte, und zog sie auf meinen Schoß. Auf seinen Wangen hatten sich zwei rote Flecken gebildet. Ich beugte mich zu ihm und berührte einen davon mit dem Finger. Er fühlte sich heiß an.
»Colorado ist einfach alles für mich«, sagte ich. »Und zwar schon furchtbar lange – seit mir Dad das hier gegeben hat. Damals war ich acht.« Ich zog die Traumfängerkette unter meinem Shirt hervor und ließ sie zwischen Daumen und Zeigefinger baumeln.
Mit verwirrtem Gesichtsausdruck starrte Cole die Kette an, dann blickte er mir in die Augen. Er hatte aufgehört zu trommeln, auch mit der Hand, die ich nicht festhielt, und auf einmal war ich überzeugt, dass ich ihm begreiflich machen könnte, worum es für mich ging. Und dann würde zwischen uns alles wieder gut werden.
Ich ließ die Kette zurück auf meine Brust sinken, nahm seine Hand in beide Hände und sah ihm direkt ins Gesicht. Und dann erzählte ich ihm alles. Ich erzählte ihm, dass Mom gestorben war. Ich erzählte ihm von den Fotos und wie sehr ich mich als Kind hineingesteigert hatte, und auch von Dad und dem, was er über Mom gesagt hatte – dass sie verrückter als Gänsemist gewesen sei. Ich erzählte ihm von den Albträumen und dem Therapeuten und der Halskette, die mir dabei helfen sollte, meine Trauer zu bewältigen, und wie ich sie seither niemals
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