Bitter Love
verdammt.«
Cole und ich schoben uns ein wenig zur Seite. »Dad, das ist Alex«, wiederholte Cole und jetzt nahm der Mann immerhin zur Kenntnis, dass ich da war, auch wenn er mich immer noch nicht anschaute.
»Hi«, sagte er zerstreut und schwenkte sein Bier in meine Richtung.
»Schön, Sie kennenzulernen«, hauchte ich.
»Das ist also mein Dad«, sagte Cole. »Und das hier ist meine Mom. Brenda, das ist Alex.«
Ich wandte mich dem anderen Fernsehsessel zu, auf den Cole jetzt zeigte, und zuckte zusammen. Ich hatte gedacht, er sei leer, aber in Wirklichkeit saß darin eine dünne, kleine Frau mit riesigen, ausdruckslosen Augen, ganz in sich zusammengekrümmt. Ihr Kopf lag auf der Armlehne, sie hatte die Füße auf die Sitzfläche gezogen und umklammerte mit den Händen ihre Schienbeine. Sie erinnerte mich an ein Kleinkind, das Angst vor einem Gewitter hat und sich versteckt. Sie blinzelte ein wenig, als sie uns ansah, sagte aber kein Wort.
Im Fernsehen kam jetzt Werbung und Coles Vater schob sich in seinem Fernsehsessel hin und her.
»So«, sagte er. »Alex heißt du, ja? Bist aber trotzdem ein Mädchen, was?« Er lachte laut, als hätte er einen wirklich guten Witz gemacht. »Als ich so alt war wie ihr, war Alex ein Jungenname. Du gehst doch nicht mit einem Jungen, oder, Cole?« Wieder dieses Lachen. »Herrje, da müsst ich dir echt einen Arschtritt verpassen, wenn du mit einem Jungen gehen würdest.«
Ich war so verlegen, dass mir ganz flau wurde, und auf einmal kam mir die Dunkelheit gerade recht. Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber mir fiel nichts ein.
Cole zog leicht an meiner Hand.
»Nur ein Witz«, sagte er leise. Nein, falsch: Kleinlaut sagte er es. »Nicht weiter wichtig.«
Die Frau klimperte mit ihren riesigen Augen und senkte den Blick dann wieder auf den Boden.
Ich nahm eine Bewegung im anderen Sessel wahr und gleich darauf dröhnte die Stimme von Coles Dad los, und zwar derart laut, dass ich vor Schreck einen Satz machte. »Brenda, Cole hat jemanden mitgebracht.« Auf sein bellendes Lachen hin rückte ich näher an Cole heran. »Die hat’s nicht so mit Leuten. Die gruselt sich sogar vor ihrem eigenen Schatten. Stimmt’s, Brenda?«
Die Frau setzte sich auf und spähte über die Armlehne des Sessels zu ihrem Mann hinüber. Sie machte ein kleines, kehliges Geräusch und murmelte irgendwas Unverständliches. Ich wusste nicht, ob sie mit mir redete oder mit Cole oder seinem Dad, und mir war furchtbar unbehaglich. Zum Glück ging jetzt die Sendung weiter und Coles Dad schaute sofort wieder gebannt auf den Fernseher.
»Wir gehen nach oben«, erklärte Cole und zog mich aus dem Zimmer. Ich war wahnsinnig erleichtert. Auch wenn ich es im Dunkeln gar nicht richtig hatte sehen können, war klar: Das hier war der unbehaglichste Raum, den ich je betreten hatte.
»Soll ich euch was zu trinken bringen?«, erklang eine zaghafte Stimme in unserem Rücken. So leise und nasal, dass man es auch für ein Miauen oder ein elektronisches Piepsen hätte halten können. Ich nahm irgendwas Dunkles wahr, das seitlich über den Sessel von Coles Mom ragte – es musste wohl ihr Kopf sein.
»Nein, Brenda, bleib, wo du bist«, antwortete Cole. In seiner Stimme lag etwas, das ich nicht deuten konnte. Vielleicht Ärger? Scham?
»Herr im Himmel, Brenda, die gehen hoch. Da können sie sich wohl selber was zu trinken holen. Die wollenallein sein«, dröhnte Coles Vater. Als wir die Treppe hoch und zurück in die Küche gingen, hörte ich ihn immer noch reden. »Verdammt, musst du die Leute immer gleich so erdrücken? … Na und, dann sind sie eben allein da oben … Lass sie doch, verflucht noch mal … Wieso bist du immer so …«
Cole zog mich quer durch die Küche bis ins Zimmer beim Eingang. Doch statt zur Haustür zu gehen, wandte er sich um und führte mich eine andere Treppe hoch. Am Ende der Stufen kamen wir in einen derart dunklen Gang, dass ich meine freie Hand auf Coles Rücken legte, um ihm besser folgen zu können.
Wir stolperten schließlich in einen Schlafraum und Cole schloss hinter uns die Tür. Hier oben konnten wir den Fernseher nicht mehr hören. Es war wie in einer Isolationszelle.
»Mach die Augen zu«, sagte er und ich tat es. Ich hörte ein Klacken und sah Licht durch meine Lider dringen. »Okay, jetzt kannst du wieder gucken.« Ich öffnete die Augen und musste blinzeln. Die Lampe, die er angemacht hatte, war nicht besonders hell, trotzdem tat mir das Licht weh und
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