Bitter Süsse Tode
warf einen Blick darauf und las: »Zirkus der Verdammten«. Ekelhaft rot auf glänzend schwarzem Grund. Ich schob es in meine Hosentasche.
Meine Pistole lag da im Kofferraum. Ich schlüpfte in das Schulterhalfter, es war mir egal, dass ich keine Jacke zum Darüberziehen hatte. Eine für jeden sichtbare Pistole erregt Aufsehen, aber die meisten Leute lassen einen in Ruhe. Oft fangen sie auch an zu rennen, machen vor einem den Weg frei. Das macht die Jagd sehr bequem.
Zachary wartete, bis ich im Wagen saß. Er beugte sich in die offene Tür. »Es kann nicht nur ein Job sein, Anita. Es muss einen besseren Grund als das geben.«
Ich sah auf meinen Schoß und ließ den Wagen an. Dann blickte ich in seine hellen Augen. »Ich habe Angst vor ihnen. Es ist ein Merkmal des Menschen, dass er zerstört, wovor er sich fürchtet.«
»Die meisten Menschen meiden ihr Leben lang, was sie fürchten. Aber Sie jagen dem nach. Das ist verrückt.«
Da hatte er Recht. Ich schlug die Tür zu und ließ ihn auf dem heißen Parkplatz stehen. Ich weckte Tote auf und bettete die Untoten zur Ruhe. Das war es, was ich tat. Wer ich war. Wenn ich je anfinge, nach meinen Motiven zu fragen, würde ich aufhören, Vampire zu töten. So einfach war das.
Nach meinen Motiven fragte ich in dieser Nacht nicht, darum blieb ich ein Vampirtöter, dem Namen
entsprechend, den sie mir gegeben hatten. Ich war der Scharfrichter.
15. Kapitel
Die Morgendämmerung glitt über den Himmel wie ein Vorhang. Vor dem matten Blau glitzerte der Morgenstern wie ein Diamantsplitter.
In zwei Tagen hatte ich zwei Sonnenaufgänge gesehen. Langsam wurde ich mürrisch. Es kam jetzt nur darauf an zu entscheiden, gegen wen und auf welche Art. Im Augenblick wollte ich nichts weiter als schlafen. Alles andere konnte warten, musste warten. Stundenlang hatten mich nur Angst, Adrenalin und Sturheit aufrecht gehalten. In der anheimelnden Stille des Wagens spürte ich meinen Körper. Er war nicht glücklich.
Es tat weh, wenn ich um das Lenkrad griff und wenn ich es drehte. Die verdammten Kratzer an den Händen sahen viel schlimmer aus, als sie waren. Das hoffte ich jedenfalls. Ich fühlte mich vollkommen steif. Blutergüsse werden allgemein unterschätzt. Sie schmerzen. Sie würden noch mehr schmerzen, wenn ich erst darauf geschlafen hatte. Am Morgen nach einer gehörigen Tracht Prügel aufzuwachen ist unvergleichlich. Es ist in etwa wie ein Kater, der den gesamten Körper erfasst.
Der Flur meines Apartmenthauses war ruhig. Nur die Klimaanlage atmete schnurrend in der Stille. Fast konnte ich spüren, wie die Leute hinter ihren Türen schliefen. Es drängte mich, ein Ohr an eine der Türen zu drücken und zu sehen, ob ich meine Nachbarn atmen hören konnte.
Wunderbar still war es. Die Stunde nach Sonnenaufgang ist die abgeschiedenste von allen. Das ist die Zeit, um allein zu sein und die Stille zu genießen.
Nur um drei Uhr nachts ist es noch stiller, und ich bin kein Freund von drei Uhr nachts.
Ich hielt die Schlüssel in der Hand, steckte sie beinahe ins Schloss, als ich merkte, dass die Tür angelehnt war. Ein winziger Spalt, fast geschlossen, aber eben doch nicht. Ich stellte mich rechts neben die Tür und presste den Rücken gegen die Wand. Hatten sie den Schlüssel klimpern gehört? Wer war da drinnen? Adrenalin perlte durch meine Adern wie feinster Champagner. Ich achtete auf jeden Schatten, auf jeden Lichteinfall. Mein Körper war in Alarmbereitschaft, aber ich hoffte inständig, ihn nicht einsetzen zu müssen.
Ich zog die Pistole und lehnte mich an. Was nun? Aus der Wohnung drang kein Laut, nichts. Es könnten Vampire sein, andererseits war es schon fast hell. Es konnten keine Vampire sein. Wer würde sonst in mein Apartment einbrechen? Ich holte tief Luft und atmete langsam aus. Mir fiel niemand ein. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer. Man sollte meinen, dass ich mich langsam daran gewöhnte, keinen blassen Schimmer zu haben, aber ich gewöhnte mich nie daran. Es machte mich nur missmutig und etwas schreckhaft.
Ich hatte mehrere Möglichkeiten. Ich konnte gehen und die Polizei holen, keine schlechte Wahl. Aber was konnten die tun, was ich nicht selber tun konnte? Außer in meine Wohnung gehen und umgebracht werden? Das war unakzeptabel. Ich konnte im Flur warten, bis derjenige neugierig wurde. Das könnte eine Weile dauern, und das Apartment könnte ebenso gut leer sein. Ich käme mir reichlich dumm vor, wenn ich stundenlang draußen stünde und die Pistole auf
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