Bitter Süsse Tode
stemmen?«
Er lächelte mit geschlossenen Lippen. Er sprach mit minimalen Lippenbewegungen, gestattete keinen einzigen Blick auf seine Schneidezähne. »Vierhundert.«
Ich stieß einen leisen Pfiff aus. Und sprach aus, was er von mir hören wollte: »Beeindruckend.«
Er lächelte, sorgfältig darauf bedacht, keine Zähne zu zeigen. Er versuchte, sich als Vampir auszugeben. So ein gutes Schauspiel und doch verschwendet. Sollte ich ihm sagen, dass er geradezu schreiend menschlich aussah? Nein, er könnte mich über dem Knie zerbrechen wie einen Span.
»Das ist Winter«, sagte Zachary. Der Name war so perfekt, dass er kaum echt sein konnte, wie ein 40er-Jahre-Film.
»Was ist los?«, fragte er.
»Unser Meister und Jean-Claude kämpfen miteinander«, antwortete Zachary.
Er seufzte tief. Seine Augen wurden ein bisschen größer. »Jean-Claude?« Er ließ es wie eine Frage klingen.
Zachary nickte lächelnd. »Ja, er hält sich ganz gut.«
»Wer sind Sie?«, fragte Winter.
Ich zögerte. Zachary zuckte die Achseln. »Anita Blake.«
Er lächelte und zeigte endlich ein paar schöne normale
Zähne. »Sie sind der Scharfrichter?«
»Ja.«
Er lachte. Der Klang hallte zwischen den Mauern wider. Die Stille ringsum schien sich zu verdichten. Das Lachen setzte abrupt aus, ein Schweißtropfen stand auf seiner Oberlippe. Winter spürte sie, und er fürchtete sie. Seine nächsten Worte kamen leise, fast flüsterte er, als wolle er nicht belauscht werden. »Sie sind nicht groß genug, um der Scharfrichter zu sein.«
Ich zuckte die Achseln. »Auch ich bin deswegen manchmal enttäuscht.«
Fast hätte er gelacht, aber er schluckte es herunter. Seine Augen glänzten.
»Lasst uns hier verschwinden«, sagte Zachary.
Ich war ganz seiner Meinung.
»Man hat mich geschickt, um nach Nikolaos zu sehen«, erwiderte Winter.
Die Stille bebte bei diesem Namen. Eine Reihe Schweißperlen tropfte ihm vom Gesicht. Wichtiger Sicherheitshinweis: Sprechen Sie niemals den Namen eines wütenden Meistervampirs aus, wenn er sich in Hörweite befindet.
»Sie kann auf sich selbst aufpassen«, flüsterte Zachary, aber jedes Wort hallte.
»Neiiin«, sagte ich.
Zachary sah mich wütend an, und ich zuckte die Achseln. Manchmal konnte ich einfach nicht anders.
Winter sah mich an, das Gesicht so unpersönlich wie ein Marmorkopf; nur seine Augenlider zuckten. Mr. Macho. »Los«, sagte er und drehte sich um, ohne abzuwarten, ob wir folgten. Wir folgten.
Ich wäre ihm sonst wohin gefolgt, solange er treppauf lief. Für mich stand nur fest, dass mich nichts, aber auch gar nichts dazu bringen könnte, die Stufen wieder hinabzugehen. Nicht freiwillig. Natürlich gibt es immer andere Möglichkeiten. Ich warf einen Blick auf Winters breiten Rücken. Es gibt immer andere Möglichkeiten, wenn man nicht freiwillig dazu bereit ist.
Die Treppe endete in einem quadratischen Raum. Von der Decke baumelte eine Glühbirne. Ich hätte nie gedacht, dass ein funzeliges elektrisches Licht so schön sein kann, aber so war es. Ein Zeichen, dass wir das unterirdische Horrorkabinett verließen und uns der wirklichen Welt näherten. Ich war mehr als bereit, nach Hause zu gehen.
Es gab zwei Türen, die aus den nackten Mauern herausführten, eine gegenüber und eine auf der rechten Seite. Hinter der ersten war Musik zu hören. Schrille Zirkusmusik. Die Tür öffnete sich, und die Musik überflutete uns. Man bekam einen kurzen Blick auf fröhliche Farben und hunderte Leute, die draußen herumliefen. Ein Schild leuchtete auf: »Juxbude«.
14. Kapitel
Wie ein Karnevalsfest, in einem Gebäude. Ich wusste sofort, wo ich war. Im Zirkus der Verdammten.
Die mächtigsten Vampire der Stadt schliefen unter dem Zirkus. Das sollte man sich merken.
Langsam schloss sich die Tür wieder, dämpfte die Musik, schnitt das leuchtende Schild ab. Ich blickte in die Augen eines jungen Mädchens, das sich Mühe gab, hinter die Tür zu sehen. Die Tür fiel ins Schloss.
Ein Mann lehnte sich dagegen. Er war groß und schlank, gekleidet wie ein Glücksspieler der Raddampferzeit. Rock in Purpurviolett, Spitze an Hals und Brust, konventionelle schwarze Hosen und Stiefel. Ein Hut mit gerader Krempe beschattete sein Gesicht, und eine goldene Maske bedeckte alles bis auf Mund und Kinn. Dunkle Augen schauten mich durch die Löcher an.
Seine Zunge spielte über die Lippen und Zähne. Fänge, ein Vampir. Warum überraschte mich das nicht?
»Ich hatte schon Angst, Sie zu verpassen, Scharfrichter.« Er
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