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Bittere Delikatessen

Bittere Delikatessen

Titel: Bittere Delikatessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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sind«, protestierte einer der beiden Kriminaltechniker. Ben ignorierte ihn.
    Er hörte das Bellen des Rottweilers: »Greifen Sie sich schon mal die Nachbarn. Halten draußen Vollversammlung. Irgendwer hat sicher etwas spitzgekriegt. So was geht nicht ohne Zeugen ab.«
    Draußen stieß Ben auf Ria Pohl. Die Kollegin hatte der Rottweiler also auch herbestellt. Sie begrüßten sich stumm mit Handschlag und machten sich an die Befragung der Nachbarn, die im Treppenhaus lauerten. Ein Rentnerpärchen und eine junge Frau, die einen Säugling hielt.
    Doch keiner von ihnen hatte etwas gehört oder gesehen. Nichts, nada, niente. Zwar hatte die junge Mutter den Geruch wahrgenommen, der sich im Laufe der Nacht breitgemacht hatte. Doch erst am Morgen gegen acht, als sie die Schreie der Putzfrau hörte, hatte sie die Polizei gerufen. Ria notierte die Namen, Ben verteilte Visitenkarten. Bevor sie die drei weiter befragten, machten sie die Klingeltour an den Türen der übrigen Bewohner, vom Erdgeschoss bis unters Dach. Vergeblich, alles ausgeflogen.
    Die Sanitäter verließen die Wohnung mit der verhüllten Leiche. Sie ächzten schwer, als sie die Bahre die Windungen des Treppenhauses hinunterwuchteten. Der Rentner hatte plötzlich einen Fotoapparat bei sich und knipste hinterher, angefeuert von seiner Frau. Ben ballte die Fäuste.
    Er spürte Rias Hand auf seiner Schulter. »Lass ihn«, sagte sie leise. Ben schob die Hand weg. Der Vergleich seiner Küche mit einem Schlachtfeld stammte von Ria. Für sie hatte er damals gekocht.
    Der Uniformierte an der Tür räusperte sich. »Haben Sie schon gehört? An der Tür sind keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens. Und auf der Klingel sind keinerlei Fingerabdrücke. Komisch, was?« Ben sah Ria an und verdrehte die Augen.
    Brauning trat zu ihnen. »Engel, Sie leiten die Sache. Pohl, Sie arbeiten mit, außerdem Baumann, Schranz und Miller. Alles ausquetschen, was rumläuft! Nachbarn, Geschäft, Familie und so weiter. Der Fall wird Schlagzeilen machen. Feinkost-Fabian – das gibt Druck. Ich seh den Staatsanwalt schon rumhampeln. Wir müssen sehen, dass wir das rasch klären, verstanden?«
    »Na klar, Boss, wie immer«, sagte Ria.
    Ben nickte der jungen Mutter zu, und sie ging voraus.
     
     
    5.
     
    Das Knirschen des Schotters dröhnte in Toms Ohren. Sein Herz klopfte, als er die Waffe aus dem Holster nahm. Er hatte keine Lust, bis zum Eintreffen der Streifenwagen zu warten.
    Der Junge, den sie beschatteten, sollte die Beamten des K2 zu seinen Hintermännern führen. Die Festnahme eines großen Drogenkuriers – so hatte sich Tom seinen Einstand bei der Kripo erträumt. Ein solcher Erfolg würde auch Leute wie Brauning auf ihn aufmerksam machen. Und der Erfolg war umso größer, wenn er sich ihn nicht mit anderen teilen musste.
    Als er das Tor erreichte, ging er in die Hocke, um kein Ziel zu bieten. Tom hoffte, dass nur er das Knacken seiner Knie hören konnte. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. So lautlos wie möglich schob sich Tom ins Innere.
    Am ersten Hindernis machte er halt. Tom kauerte vor dem Gerippe eines Regals. Seine Hand krampfte sich fester um die P6. Er sah sich um.
    Nichts als Regale, soweit er sehen konnte. Reihe um Reihe. Verrostet. Leer.
    Er lauschte, doch er hörte nur den eigenen Atem. Es war eine Stille wie in der Sekunde vor einer Detonation.
    Toms Brille rutschte. Er schob sie zurück und drückte sie wie zur Beschwörung fest gegen die Nasenwurzel. Er roch altes Eisen und Staub. Der Betonboden unter seinen Knien war kalt und hart.
    Tom verlor die Geduld und sprang auf, die Waffe mit beiden Händen nach vorne gestreckt. Er rannte die Reihen entlang, bereit, sofort jeden Schuss zu erwidern. Er hetzte in den nächsten Gang, seine Schritte schallten durch die Halle, das Blut rauschte in seinem Kopf. Immer wieder schrammten seine Schultern gegen rostige Eisenträger. Er spürte es nicht.
    Außer Atem erreichte er das Ende der Halle.
    Kein Schuss, kein Drogenkurier, niemand.
    Nur ein paar Sektkartons im hintersten Winkel der leeren Halle.
    Keuchend blieb Tom stehen. Die Aufschrift nannte eine Marke, die sich seine Familie allenfalls zu Silvester leistete. Vier Kartons und jede Menge Holzwolle. Tom durchwühlte einen nach dem anderen, dann fand er den Stoff.
    Es waren drei flache Plastikbeutel, bretthart und prall gefüllt mit weißem Pulver. Tom schätzte das Gesamtgewicht auf rund ein Pfund – Kokain im Wert von vielleicht fünfzigtausend Mark.

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