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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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Stunden hatte ich erst zwanzigtausend Yen eingenommen, ungefähr einhundertsechzig Dollar. Um neun Uhr, als ich mein Geld zählte, fiel mir ein alter Mann mit Augenklappe auf. »Mr. Ishida!« rief ich, und er drehte sich um.
    »Ich habe nach Ihnen gesucht, aber im Moment steht mir nur ein Auge zur Verfügung, mit dem ich mich umsehen kann«, entschuldigte er sich. Wie wir so neben den beiden blau-weißen hibachi standen, wirkten wir vermutlich ein bißchen wie alte Dorfbewohner, die miteinander plauderten.
    »Wie geht’s Ihrem Auge?« erkundigte ich mich.
    »Ich habe immer noch Kopfschmerzen, und ich sehe verschwommen. Die Ärzte meinen, es dauert eine Weile, bis alles wieder in Ordnung ist.« Dann senkte er die Stimme, damit die Händler neben mir ihn nicht verstehen konnten. »Ich habe Ihnen den Wagen geliehen, weil ich wollte, daß Sie hier Erfolg haben, aber jetzt frage ich mich, ob das eine so gute Idee war. Es ist traurig, eine richtige Antiquitätenhändlerin auf einer Plane sitzen und ihre Waren feilbieten zu sehen. Vielleicht hätten Sie jemand anders bitten sollen, für Sie hierher zu kommen. Was ist mit Ihrem Freund Richard Randall?«
    »Richard kauft lieber ein als zu verkaufen«, sagte ich, weil ich nicht erzählen wollte, wie kompliziert unser Verhältnis in letzter Zeit geworden war. »Setzen Sie sich doch einen Augenblick. Ich würde Ihnen gern etwas zeigen.« Dann öffnete ich den Reißverschluß meines Geldgurtes und holte das Foto von Takeos Mutter heraus. »Versuchen Sie sich vorzustellen, wie diese Frau zwanzig Jahre später ausgesehen hätte. Glauben Sie, das könnte dieselbe Person sein, die bei Ihnen im Laden gewesen ist?«
    Mr. Ishida betrachtete das Bild eine ganze Weile und hielt es sich immer wieder ganz nahe vors Gesicht. »Der Kimono ist der gleiche, aber ansonsten bin ich mir nicht sicher. Die junge Frau hier ist so hübsch. Ich glaube nicht, daß sie später wie eine typische Frau mittleren Alters aussehen würde.«
    »Gut, dann zum nächsten Foto.« Ich wühlte in meinem Rucksack herum und holte schließlich eine Broschüre der Kayama-Schule heraus, die man mir zu Beginn meines Kurses gegeben hatte. In der Broschüre befand sich ein Foto von Sakura, die gerade Blumen schnitt, darunter der Text: »Eine Ikebana-Meisterin teilt ihr Wissen.«
    Mr. Ishida verfuhr mit der Broschüre genauso wie zuvor mit dem Bild von Takeos Mutter. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch dann nickte er. »Das könnte die Frau sein, die bei mir war, aber mit letzter Sicherheit kann ich das nicht sagen. Im Moment sehe ich nicht so gut. Wenn ich mir das Bild anschaue, schmerzt mein Auge.«
    »Das tut mir leid. Ich verlange wirklich zu viel von Ihnen!« Voller Schuldgefühle legte ich Foto und Broschüre weg.
    »Nun, eigentlich ist mein Auge müde von einigen konzentrierten Studien, die ich vor einer halben Stunde unternommen habe«, sagte er. »Gleich um die Ecke, wo die besseren Händler sind, wurde ein Teller verkauft, der Ihren Imari-Tellern verblüffend ähnlich war.«
    »Ach, tatsächlich?« Wenn ich doch nicht hier hätte sitzen müssen und mich selbst ein bißchen hätte umsehen können. »Die Händlerin wollte fünftausend Yen dafür. Sie wußte nicht, was der Teller wert ist, und natürlich hatte sie nur den einen.«
    »Was für ein Geschäft«, sagte ich mit düsterer Miene.
    »Wenn Sie zehn Teller statt neun verkaufen könnten, wären die mehr wert. So ein Set würde möglicherweise einhundertfünfzig oder sogar einhundertsechzigtausend Yen bringen«, meinte Mr. Ishida.
    »Aber der Teller ist ja schon verkauft.«
    »Ja, an mich.« Mr. Ishida streckte mir eine Einkaufstüte hin. »Würden Sie ihn gern sehen?«
    Der Teller war perfekt, die blau-weiße Glasur genauso cremig wie auf den meinen, und die grünen, roten und goldenen Darstellungen von Vögeln, Schmetterlingen und Bambuspflanzen befanden sich genau an den richtigen Stellen.
    »Würden Sie mir den Teller verkaufen?« fragte ich. »Da Sie ihn aufgespürt haben, wäre ich gern bereit, Ihnen mehr zu zahlen, als Sie dafür ausgegeben haben.«
    »Ach, ich bin mit dem zufrieden, was ich bezahlt habe. Viertausend Yen.«
    »Aber ich dachte, der Teller kostete fünftausend Yen.«
    »Nun, ich habe ein bißchen gehandelt.« Mr. Ishida hob warnend den Finger. »Darum will ich nicht, daß Sie hier auf diesem Markt verkaufen. Die Käufer können zu leicht handeln, und die Verkäufer machen kaum Gewinn.«

    Ich wickelte meinen wunderbaren neuen Teller

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