Bittere Mandeln
mir mal eben helfen?« Richard winkte den Barkeeper mit dem Zeigefinger heran.
»Der hat zu tun«, sagte ich.
»Nein, nein, es ist gerade Zeit für meine Pause«, sagte Enrique auf englisch, stellte seinen Cocktail-Shaker weg und kam hinter der Theke hervor.
»Du lieber Himmel.« Bevor ich Zeit zum Nachdenken hatte, nahmen sie mich mitten auf der Tanzfläche in die Zange. Als sie sich mit kreisenden Hüften aufeinander zubewegten, ich immer zwischen ihnen, sahen uns ein paar von den jungen Frauen in der Bar ziemlich neidisch zu. Da es albern wirkte, wenn ich einfach nur herumstand, begann ich auf meinen zehn Zentimeter hohen Lackpumps einigermaßen unbeholfen zu tanzen.
Ich versuchte, mich zu verdrücken, sobald der Song zu Ende war, aber schon erklangen die ersten Töne des nächsten. Enrique fing an, uns beiden den Merengue beizubringen, indem er Richard an den Händen nahm, ich immer noch zwischen den beiden. Die anderen Gäste lachten und klatschten. Dann plötzlich wechselte die Musik zu U2. Oder besser ausgedrückt: Die Lovely Parrots spielten langsamer und sangen »Discothèque« in einer Mischung aus Englisch und Spanisch. Der unvermittelte Rhythmuswechsel gab mir Gelegenheit, mich zwischen Richards und Enriques verschwitzten Körpern herauszuwinden. Richard kniff mich in den Arm und flüsterte mir ins Ohr: »Viel Glück. Jetzt bist du der Hit des Abends.«
Mein Gott, war mir das alles peinlich! Ich hastete zur Tür und stieß dort gegen den muskulösen latino-japanischen Türsteher, der mich hereingelassen hatte, ohne daß ich Eintritt bezahlen mußte.
»Du hast deine Drinks noch nicht bezahlt«, sagte er.
Ich streckte die Hand nach dem Riemen meiner Handtasche aus, doch da fiel mir ein, daß Richard mich zu schnell auf die Tanzfläche gezerrt hatte, als daß ich sie hätte mitnehmen können. Also bat ich den Türsteher, mich zur Theke zurückzubegleiten, damit ich meine Tasche holen konnte. Doch sowohl die Tasche als auch mein Glas waren verschwunden.
Ich schaute zur Tanzfläche hinüber, aber mittlerweile waren dort so viele Leute, daß ich Richard und Enrique nicht mehr sehen konnte. Tja, dann würde ich also allein mit der Situation fertigwerden müssen.
»Hier in eurer Bar läuft ein Dieb rum«, sagte ich zu dem Türsteher.
Der Mann lachte. »Si! Und der bist du! Schließlich wolltest du dich grade hier rausschleichen wie ein bandido. «
»Meine Handtasche mit zwanzigtausend Yen lag hier auf der Theke, aber jetzt ist sie weg!« Und mit ihr meine Kreditkarten, mein Adreßbuch und mein MAC-Lippenstift.
»Suchen Sie das hier?«
Plötzlich stand Takeo Kayama neben mir. An seiner Hand baumelte meine kleine Tasche an dem langen Riemen wie ein benutzter Teebeutel.
Ich packte sie und fragte mich dabei, ob er nicht derjenige gewesen war, der sie weggenommen hatte. Ein Blick in die Nische sagte mir, daß Che verschwunden war.
Ich öffnete meine Handtasche. Geld, Lippenstift, Adreßbuch – alles drin. »Was bin ich schuldig?« fragte ich den Türsteher.
»Zweitausendfünfzig«, sagte er, ein wenig freundlicher.
Takeo beobachtete mich dabei, wie ich dem Türsteher zwei Eintausend-Yen-Scheine und eine Einhundert-Yen-Münze reichte.
»Ich hole das Wechselgeld«, sagte der Türsteher.
»Nein, nein, stimmt so«, meinte ich und hastete in Richtung Tür.
»In Japan gibt man kein Trinkgeld«, sagte Takeo und folgte mir.
»Aber ich habe keine Lust, auf fünfzig Yen zu warten, okay?«
»Mit dem Kleid sehen Sie aus wie eine kleine Gladiole. Wo wollen Sie hin?« Takeo klang belustigt. Offenbar sprachen zukünftige Schulleiter so mit ihren Schülern.
Ich erwiderte nichts, ging einfach nur wütend weiter.
»Sie wollen also nach Hause? Shiomodai fünfundzwanzig-fünfzig, Wohnung eins. Yanaka ist ein ziemlich altmodisches Viertel. Ich wußte gar nicht, daß dort auch junge Leute wohnen.«
»Dann sind Sie also mein Adreßbuch durchgegangen? Tja, entweder finden Sie mich unglaublich attraktiv, oder Sie wollen mich umbringen.« Ich schwieg. Was normalerweise eine schlagfertige Antwort gewesen wäre, klang plötzlich unpassend.
Takeos Lächeln erstarb. Leiser sagte er: »Hier gleich um die Ecke gibt’s ein izakaya. Dort können wir uns ungestört unterhalten.«
Er behandelte mich wie eine Zufallsbekanntschaft. Vielleicht war es ihm aber auch nur unangenehm, daß ich ihn zusammen mit Che Fujisawa gesehen hatte.
Nun, ich hätte ihn nicht begleiten sollen, aber als ich mir Takeos schlanken Körper genauer
Weitere Kostenlose Bücher