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Bittere Mandeln

Bittere Mandeln

Titel: Bittere Mandeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sujata
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Körperkontakt. »Tja, im Moment ist alles schrecklich. Und meine Tante – du solltest mal sehen, wie sie versucht, die Sache zu überspielen. Sie hat sogar darauf bestanden, an der Ikebana-Ausstellung im Mitsutan teilzunehmen.«
    »Das klingt vernünftig«, sagte Richard. »Soll sie sich denn verstecken? Wenn sie nicht unter Leute geht, kriegt sie am Ende noch einen Nervenzusammenbruch.«
    Die Lovely Parrots gaben eine Cover-Version von »Macarena« zum besten. Ein paar Frauen, die mir nach Sekretärinnen aussahen, stellten sich in einer Reihe auf und begannen vor der Band zu tanzen. Die jungen Männer an der Theke sahen den Frauen zu, wie sie sich marionettengleich bewegten, Arme und Beine hoben und ihre perfekten Brüste und Hinterteile zur Schau stellten. Die Männer beobachteten die jungen Frauen, ohne sich ihnen zu nähern. Nur ein unbeholfener Ausländer mit amerikanischem Stiftenkopf wagte es, dazwischenzuspringen und mitzutanzen.
    »Norie ist ganz allein. Mein Onkel Hiroshi ist nach wie vor in Osaka, und mein Cousin Tom hat immer schrecklich viel im Krankenhaus zu tun. Ich habe Tante Norie angeboten, daß sie fürs erste bei mir wohnen kann«, erzählte ich Richard.
    »Die treibt dich doch zum Wahnsinn!«
    »Na ja, sie hat das Angebot sowieso nicht angenommen. Sie meint, das würde nur die Presse zu mir führen, und da hat sie vermutlich recht. Tom hat sie von der Ausstellung im Mitsutan mit dem Wagen nach Hause gebracht. Ich hoffe nur, daß die Reporter ihnen nicht auflauern.«
    »Hat man dich angegriffen?« Richard deutete auf meine Hände, die er gestreichelt hatte. Sie waren von winzigen Kratzern überzogen, die ich mir beim Säubern des Bambus geholt hatte.
    »Nein, das kommt von der Arbeit mit dem Bambus. Ich muß morgen noch mal hin, um nachzusehen, ob das Gesteck in Ordnung ist.«
    »Du Ärmste. Du solltest dich von deiner Tante nicht so herumkommandieren lassen.«
    »In japanischen Familien hört man auf die ältere Generation«, sagte ich.
    »Ich lasse mir von meiner Familie nichts vorschreiben«, sagte Richard.
    »Ach, wirklich? Wieso glaubt deine Cousine Lila Braithwaite dann immer noch, daß du hetero bist?«
    Richard wurde tiefrot, gab mir aber keine Antwort. Als Enrique mit meinem Drink zurückkam, begann Richard, ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Da ich mir wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen vorkam, sah ich mich in dem Raum um, bis mein Blick auf eine Nische mit einem Kleiderhaken fiel. An dem Haken hing eine Jeansjacke mit auffälliger Stickerei. In der Nische saß der Umweltaktivist Che Fujisawa, der auf einen Teller mit Essen starrte, ohne es anzurühren.
    Ich meinerseits starrte Che an und mußte daran denken, wie er meine Tante beschuldigt hatte, der japanischen Bourgeoisie anzugehören. Laut Speisekarte kostete das Reis-Bohnen-Gericht, das da vor ihm auf dem Tisch stand, zweitausenddreihundert Yen. Was war er doch für ein Heuchler!
    Doch meine Gedanken an gesellschaftliche Unterschiede verflüchtigten sich, als ich sah, wie Che sich erhob, um die Person zu begrüßen, mit der er offenbar verabredet war – diese Person hatte ich nämlich bis dahin für seinen Feind gehalten.
    Takeo Kayama trug nicht seinen Büroanzug, sondern ein schwarzes T-Shirt und eine Levi’s, vermutlich ein Modell aus den fünfziger Jahren, für das Japaner bereit waren, siebenhundert Dollar hinzublättern. Als Antiquitätenhändlerin hatte ich auch ein gutes Auge für Modeklassiker.
    Ich sah ungläubig zu, wie Che Takeo Bier einschenkte. Dann wurde mir klar, daß ich hier besser verschwand.
    Ich stupste Richard an, der gerade Enriques Telefonnummer auf seinem Handrücken notierte. »Ich muß raus hier. Da drüben sind zwei Männer, die mich nicht sehen dürfen.« Ich stellte mir vor, wie Che aufsprang, um mir zu folgen, und wie Takeo sich über das daraus resultierende Chaos amüsierte.
    »Welche Männer?« Endlich hob Richard den Kopf. »Du bist schon seit Monaten mit niemandem mehr ausgegangen. Natürlich sollen die Männer dich sehen.«
    »Adiós« , sagte ich und erhob mich.
    »Nein, die Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen. Enrique und ich sorgen dafür, daß man sich um dich reißen wird.« Richard rutschte von seinem Barhocker und faßte mich um die Taille. »Erkennst du den Song?«
    »Ich kann nicht Lambada tanzen. Wirklich!« Noch schlimmer, als von Che und Takeo gesehen zu werden, war, wenn ich mich hier zum Narren machte.
    »Ich liebe ernste, unbeholfene Mädchen. Enrique, kannst du

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