Bittere Mandeln
Regen ist furchtbar für die Kirschblüten. Kaum sind sie aufgegangen, werden sie schon von den Bäumen geweht!« klagte Tante Norie.
»Merkwürdigerweise hat der Regen uns sogar bei unseren Ermittlungen geholfen«, sagte Hata zu mir. »Die Pathologie hätte gestern eigentlich an einem Kirschblütenfest teilnehmen sollen, doch das wurde aufgrund des Wetters abgesagt. Und so hatten wir eine ganze Reihe von Leuten im Labor, die die unterschiedlichsten Tests durchführen konnten.«
»Aber woher wollen Sie wissen, was ich am Freitag und Samstag alles gegessen habe?« sagte ich. »Es gibt noch jede Menge zu tun.«
»Nun, wir sind zu dem Schluß gekommen, daß sich in Ihrem Mageninhalt Spuren eines Schwermetalls befanden.« Lieutenant Hata murmelte leise das itadakimasu -Dankgebet und griff nach seiner Tasse Tee.
»Heißt das, daß ich ein Stück Folie mitgegessen habe? Ich bin mir sicher, daß ich nichts im Mund hatte, was irgendwie nach Metall schmeckte.«
»Wir haben ein ganz bestimmtes Schwermetall gefunden, das Gift Arsen. Haben Sie schon davon gehört?«
Ich nickte, während mein Magen sich wieder verkrampfte. Hoffentlich war das nur eine psychosomatische Reaktion.
»Das ist eine ernste Sache! Arsen wirkt doch normalerweise über einen längeren Zeitraum. Kann es meiner Nichte jetzt immer noch schaden?« fragte Tante Norie entsetzt.
»Dafür hat sie zu wenig davon geschluckt.«
»Rei -chan, hast du in letzter Zeit in schlechten Restaurants gegessen?« fragte Tante Norie, fast ein wenig gekränkt. »Wie schrecklich. Dabei könntest du bei mir wohnen und meine Hausmannskost essen.«
Lieutenant Hata und ich wechselten einen Blick, doch Tante Norie merkte nichts.
»Die Vergiftung hat sich im Mitsutan ereignet, als Miss Shimura eine Tasse Tee trank«, erklärte Lieutenant Hata. »In dem Zucker, den sie in ihren Tee gegeben hat, befand sich Ameisengift. Dieses Mittel ist normalerweise eine Mischung aus Zucker und Arsen, die die Ameisen anlocken und töten soll.«
»Das kenne ich«, sagte Tante Norie. »Ich habe immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich es benutze, aber ohne fressen sie mir meine ganzen Pfingstrosen an.«
»Interessant, daß Sie das erwähnen«, sagte Lieutenant Hata und sah Tante Norie mit durchdringendem Blick an. »Im Ausstellungsbereich des Kaufhauses ist ein Behälter mit Ameisengift entdeckt worden. Staub- und Pollenpartikel darauf entsprechen jenen aus dem Geräteschuppen in Ihrem Garten. Unsere Tests weisen darauf hin, daß der Behälter sich ursprünglich in Ihrem Schuppen befunden hat.«
Tante Norie schluckte. Dann machte sie den Mund auf, aber es kam nur ein leises Stöhnen heraus.
»Schon in Ordnung, Obasan. Ich kann mir nicht vorstellen, daß du mich vergiften wolltest.« Und zu Lieutenant Hata sagte ich: »So etwas dürfen Sie nicht einmal andeuten! Meine Tante ist seit meiner Geburt die einzige echte Freundin meiner Familie. Nur mit ihrer Hilfe habe ich …«
»Lassen Sie Ihre Tante reden«, unterbrach Lieutenant Hata mich.
»Es ist meine Schuld«, sagte meine Tante und schwieg einen Augenblick. »Ich schließe die Tür meines Schuppens nie ab. Jeder kann hinein.«
»Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, im Garten meiner Tante herumzuschnüffeln?« fragte ich wütend. »Durchsuchen Sie alle Gartenhäuschen in der Region Kanto? In anderen gibt es doch sicher ganz ähnliche Staub- und Pollenspuren.«
»Ihr Sohn hat uns die Erlaubnis erteilt, den Schuppen zu durchsuchen. Wir waren gestern dort, als Sie noch im Krankenhaus lagen. Es ging uns nicht darum, irgendwo herumzuschnüffeln. Entscheidend ist herauszufinden, um welche Art von Gift es sich handelt – in diesem Fall von versuchtem Mord.«
»Verdächtigen Sie mich denn?« fragte Norie mit leiser Stimme.
»Sollten wir das?« fragte Hata zurück.
»Ich trage insofern Schuld, als ich meinen Schuppen nicht verschlossen habe und nicht im Mitsutan anwesend war, um meine Nichte vor dem Giftanschlag zu schützen. Außerdem konnte ich Sakura Sato nicht leiden. Ich habe sogar eine Auseinandersetzung mit ihr gehabt.«
»Das ist doch lächerlich«, fiel ich Norie ins Wort. »Wir alle wissen, daß meine Tante an dem Tag des Giftanschlags gegen mich überhaupt nicht in der Ausstellung war. Sie wollte kommen, aber ich habe es ihr ausgeredet. Außerdem weiß ich, daß das Ameisengift am Freitag nicht im Mitsutan war, weil ich alles gesehen habe, was sie mitgebracht hat. Zwei Eimer mit Iris, das war alles!«
Lieutenant Hata hob
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