Bittere Mandeln
außer Sakura-san.«
Da klingelte es wieder an der Tür.
»Erwarten Sie Besuch?« fragte Lieutenant Hata.
»Nein.« Tante Norie schniefte. »Mein Sohn hat gesagt, Rei sollte vor morgen keinen Besuch empfangen.«
»Im Augenblick wollen wir niemanden sehen«, sagte ich zu Lieutenant Hata.
Lieutenant Hata ging strumpfsockig zum Fenster und schob die shoji ein wenig beiseite, damit er besser nach unten schauen konnte. Er fluchte leise und sagte dann: »Damit habe ich nicht gerechnet. Miss Shimura, warum haben Sie mir das nicht erzählt?«
»Was?« fragte ich.
»Daß Sie Takeo Kayama näher kennen. Er steht mit einem Strauß Blumen vor der Tür.«
11
»Gehen Sie nicht an die Tür«, flehte ich ihn an. »Ich soll keinen Besuch bekommen.« Normalerweise wäre ich kein solcher Waschlappen gewesen, aber der Gedanke, unter feindseligen Blicken lächelnd einen Blumenstrauß entgegennehmen zu müssen, war einfach zu viel für mich. Warum hatte Takeo seine Blumen nicht ins Krankenhaus geschickt wie alle anderen?
»Verhalten wir uns ganz ruhig, dann denkt er vielleicht, es ist niemand da«, sagte Norie.
»Aber das wäre schade, denn ich möchte auch mit ihm sprechen. Hallo, Kayama-san!« sagte Lieutenant Hata, während er die Tür öffnete.
»Entschuldigung, ich habe mich wohl in der Adresse geirrt«, erwiderte Takeo hastig.
Lieutenant Hata verstellte mir den Blick auf Takeo, doch es hörte sich an, als wende dieser sich zum Gehen. Erleichtert ließ ich mich in meinen Stuhl zurückfallen.
»Einen Augenblick, Kayama-san. Rei Shimura ist hier, wenn Sie sich mit ihr unterhalten wollen.«
Jetzt war es zu spät, mich im Bad zu verstecken. Ich blieb wie ein Häuflein Elend sitzen, als Takeo an Lieutenant Hata vorbei in den kleinen Raum voller Blumen blickte und Tante Norie und mich entdeckte.
»Ach, Sie haben Besuch. Denn gehe ich lieber wieder. Mein Range Rover steht in der zweiten Reihe.« Takeo entschuldigte sich mit einem Kopfnicken bei mir.
»Ein Range Rover? Die Straße vor meinem Haus ist doch nur drei Meter breit! Wie haben Sie den Wagen da reinmanövriert?« Meine Verlegenheit verwandelte sich in Wut. Die Nachbarn würden Takeo aus meiner Wohnung kommen sehen und denken, ich hätte mir eine richtige Pistensau geangelt. Für einen Umweltschützer bewies er in Platzfragen ziemlich wenig Feingefühl.
»Meine Nichte ist noch nicht lange aus dem Krankenhaus. Sie ist so schwach, daß sie nicht einmal allein zur Toilette kann«, sagte Norie mit beißender Stimme. »Eine Autofahrt mit Ihnen würde sie nicht überstehen. Wo wollten Sie sie denn hinbringen?«
»Bitte hör auf, Obasan!« Mein Gott, wie peinlich!
»Das tut mir aber leid«, sagte Takeo und betrachtete mich mit neuem Interesse. »Ich wußte gar nicht, daß Sie krank sind.«
»Immerhin haben Sie Blumen dabei«, bemerkte Lieutenant Hata.
»Aber nicht, weil ich dachte, sie sei krank. Ich wollte ihr zeigen, welche Pflanzen ich züchte – damit sie sich besser vorstellen kann, was sie in meinem Garten auf dem Land erwartet.«
»Kommen Sie doch rein«, sagte Hata und streckte die Hand nach Takeos abgewetzter Lederjacke aus. Takeo legte ein in handgeschöpftes graues washi- Papier gewickeltes Bündel auf eine meiner tansu- Kommoden , behielt seine Jacke aber an. Allerdings zog er seine Schuhe aus, bevor er auf die tatami- Matte trat.
»Haben Sie denn nicht gehört, was während der Blumenausstellung im Mitsutan passiert ist?« fragte Hata.
»Ich bin Sonntag früh kurz dagewesen, um vor Beginn der Ausstellung nach dem rechten zu sehen, aber ich konnte nicht bleiben. Seit Sakuras Tod herrscht ein ziemliches Durcheinander.« Er zuckte hilflos mit den Achseln.
»So groß kann das Durcheinander wohl nicht sein, wenn Sie heute nachmittag zusammen mit Rei-san aufs Land fahren wollten, oder?« sagte Hata in fast schon sarkastischem Tonfall. »Haben Ihr Vater und Ihre Schwester denn nichts davon erwähnt, daß Miss Shimura eine schwere Vergiftung hat?«
»Ich habe das ganze Wochenende nicht mit meinem Vater und meiner Schwester gesprochen«, sagte Takeo.
»Und mit mir auch nicht. Ich versuche schon eine ganze Weile, Sie zu erreichen«, meinte Hata.
»Stimmt. Nun, wir sollten uns gleich morgen früh unterhalten, neh?« sagte Takeo. »Rei-san, rufen Sie mich an, wenn es Ihnen wieder besser geht.«
»Meine Nichte ruft nicht einfach so bei jungen Männern an«, erklärte Norie eisig.
»Eigentlich«, sagte ich, als ich spürte, wie sich meine Lebensgeister
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